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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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machten es ihr unmöglich herauszufinden, ob die Fremde sich bewegte oder nicht. Sie musste darauf vertrauen, dass Nabu sie rechtzeitig warnen würde. Als sie das Gefühl hatte, nah genug zu sein, rief sie auf Quechua: » Hab keine Angst.«
    Einen kurzen Augenblick blieb es still, dann sagte die Indio-Frau: » Ich habe keine Angst, Drachen frau.«
    Es klang merkwürdig, wie die Frau die ersten beiden Silben aussprach, aber noch mehr erstaunte Mila, dass sie das Wort überhaupt kannte.
    » Was hat sie von Drachen gesagt?«, fragte Nabu. Mila übersetzte, dann wandte sie sich wieder an die Indio-Frau, die sie im Schatten leise atmen hörte, und sagte: » Ich bin Milena, wie ist dein Name?«
    » Ich bin Pitumi«, sagte die Frau mit einer Stimme, die weich und doch klar war.
    » Woher kennst du das Wort für Drachen, Pitumi?«, fragte Mila, die nicht recht weiterwusste.
    » Du bist blind, oder?«, antwortete Pitumi, ohne auf die Frage einzugehen.
    Mila nickte stumm.
    » Dann bist du keine Göttin«, stellte die Indio-Frau zufrieden fest.
    Mila übersetzte für Nabu, um Zeit zu gewinnen, denn sie hatte das Gefühl, dass sie ihr Gegenüber nicht recht zu fassen bekam.
    » Und er ist auch kein Gott, denn sonst würde er unsere Sprache doch verstehen«, fügte Pitumi hinzu.
    » Sie ist recht unverschämt«, meinte Nabu, als auch das übersetzt war. Er wirkte amüsiert.
    » Warum bist du hier, Pitumi?«, fragte Mila, die Nabus Anmerkung lieber nicht übersetzte.
    » Ich bin hier, weil dieser Ort auf dem Weg in meine Heimat liegt. Aber warum seid ihr hier?«
    Mila schüttelte den Kopf. » Du weichst meinen Fragen aus, Pitumi«, stellte sie fest.
    » Und du antwortest nicht auf die meinen, Fremde.«
    Mila überlegte, was sie entgegnen sollte. Warum waren sie eigentlich hier? Es war eine simple Frage, aber mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass sie darauf keine gute Antwort hatte: » Wir sind hier, weil unser Kaiser, unser Herrscher, es befohlen hat«, sagte sie, ohne selbst davon überzeugt zu sein. » Sagst du mir jetzt, warum du in dieser dunklen Ecke auf mich gewartet hast?«
    » Ich habe von dir gehört und von diesem Drachen mit den bläulichen Schuppen.«
    » Was hast du gehört, Pitumi?«, fragte Mila neugierig.
    » Genug, um dich zu warnen, Fremde. Ein Freund erzählte mir von dir und der goldenen Farbe deiner Haare. Es ist schade, dass es Nacht ist, denn so sehe ich nur, dass sie hell sind, wie die Haare der alten Leute. Von Gold sehe ich nichts.«
    » Aber hast du uns nicht schon vorhin beobachtet, Pitumi?«, entgegnete Mila und vergaß, nach der Warnung zu fragen.
    » Aus der Ferne, Fremde. Und du hast einen Helm aus Erz getragen. Ein seltsames Volk seid ihr, wenn bei euch blinde Frauen als Kriegerinnen dienen.«
    » Ich bin die Einzige«, sagte Mila mit einer Mischung aus Verlegenheit und Stolz. » Doch – wovor wolltest du uns warnen, Pitumi?«
    Die Indio-Frau schwieg einen Augenblick, dann erwiderte sie: » Ich höre, dass jene Fremden, die nicht von den Sternen, sondern über das Meer kamen, nun auch die Berge überqueren wollen, und dass ihr hier seid, sagt mir, dass ihr sie begleitet – oder gar führt.«
    » Begleitet«, murmelte Mila, der wieder bewusst wurde, dass die Konquistadoren sich anschickten, die Heimat dieser Frau mit Feuer und Schwert zu erobern.
    » Ich habe diese Männer gesehen, unten in Chan Chan. Sie berauben die Tempel und töten alle, die ihnen im Weg sind, und in ihren Augen brennt ein Hunger, den ich nicht verstehe. Viel Blut wird fließen müssen, bis dieser Hunger gestillt ist.«
    Mila fühlte ein unangenehmes Kribbeln im Nacken. Die Frau sprach ruhig, beinahe, als ginge sie das nichts an, aber natürlich hatte sie Recht, und natürlich war auch der Drachenorden nicht unschuldig an dem, was in Chan Chan geschehen war.
    Pitumi war noch nicht fertig: » Doch bin ich nicht hier, um euch beide vor euresgleichen zu warnen, Drachen frau, denn das geht mich nichts an. Ich bin hier, um euch vor uns zu warnen. Meidet die Berge der Chachapoya, denn dort wartet der Tod auf euch und jeden anderen Fremden.«
    Mila verschlug es bei dieser unverhohlenen Drohung kurz die Sprache, aber dann drängte Nabu auf eine Übersetzung.
    » Dieses unbewaffnete Weib droht uns?«, fragte der Drache, und Mila hörte, wie er ungläubig den großen Kopf schüttelte.
    Mila entschied sich, diplomatisch zu bleiben: » Warum willst du uns warnen, Pitumi?«
    » Ein Freund hat erzählt, dass dieser Ankay Yaya dort nicht so

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