Drachensturm
eigentlichen Hochland angekommen, Bruder Mancebo.«
» Das ist leider richtig, Condesa. Vor uns liegen Berge, die wohl selbst die Gipfel der Pyrenäen noch überragen. Es gibt, wie gesagt, eine Straße hinauf – oder, sagen wir, es gibt etwas, was die Indios Straße nennen –, und nach allem, was uns die Menschen von Chan Chan erzählt haben, liegt der größte Teil des Reiches, das wir erobern wollen, hinter dieser Bergkette.«
» Ich weiß, ich habe schließlich übersetzt«, sagte Mila lächelnd.
Ein leises Schnarchen erklang.
» Euer Begleiter ist eingeschlafen«, stellte Don Mancebo leise fest.
» Es war ein langer und ermüdender Tag, und dennoch, ich könnte jetzt nicht schlafen, Bruder Mancebo. Dies alles ist so … aufregend.«
» Ich verstehe, Condesa, Ihr habt viel erlebt in den letzten Tagen«, antwortete der Maure und gähnte.
Eine Weile lauschte Mila dem Prasseln ihres kleinen Feuers, dann sagte sie: » Darf ich Euch etwas fragen?«
» Natürlich, Condesa.«
» Wie kommt es … ich meine, wie seid Ihr ein Ritter dieses Ordens geworden?«
» Ihr meint, wie konnte der Morisco, der Maure, in diese ehrwürdige Institution gelangen?«, fragte Don Mancebo zurück, und Mila war erstaunt über die Bitterkeit seiner Worte.
Sie runzelte die Stirn.
» Verzeiht, ich habe diese Frage selten offen gehört, Condesa, meist nur hinter vorgehaltener Hand und als Geflüster. Ich weiß, dass Euer Interesse hingegen aufrichtig ist, und Ihr habt eine Antwort verdient.« Er schwieg einen Augenblick, dann erzählte er: » Mein Großvater war ein Wesir, ein hochgestellter Mann in Diensten des Sultans von Granada, und er kämpfte tapfer gegen das Vorrücken der Reconquista. Doch das Sultanat war klein, nur ein Abglanz alter maurischer Pracht, und was können tapfere Männer schon gegen ein Heer ausrichten, in dem auch Drachen kämpfen? Unsere eigenen Drachen, die unseren Vorfahren vor vielen hundert Jahren halfen, Spanien zu erobern, waren doch schon lange Geschichte. Als Sultan Boabdil schließlich kapitulierte, wurde der Großteil meines Volkes aus dem Land gejagt, doch mein Großvater blieb, aus Liebe zu einer Frau, einer Christin. Und vor allem ihr zuliebe nahm er den neuen Glauben an. Er hatte bereits einen Sohn, meinen Vater, von seiner ersten Frau, und auch dieser bekannte sich zum Christentum, lange bevor ich das Licht der Welt erblickte.«
» Aber dann seid Ihr ja bereits als Christ geboren«, rief Mila überrascht.
» So ist es, doch bedauerlicherweise macht es für einige unserer Ritter keinen Unterschied. Euer Großonkel Maximilian jedoch achtete nicht auf meine Herkunft, nachdem ich das Glück hatte, mich beim Kampf gegen die Korsaren von Oran auszeichnen zu können. Er war es, der mir einen Platz im Orden, ja, sogar einen Drachensattel anbot.« Der Ritter zögerte einen Moment, dann sagte er: » Ihr wisst, dass Ianus zuvor der Drache Eures Vaters war?«
Mila nickte. » Ich weiß es, und ich habe schon in Panama versucht, mit Ianus darüber zu sprechen. Ich glaube, er fühlt sich verantwortlich für die Erkrankung meines Vaters, und damit auch für meine.«
» Ich weiß«, bestätigte Don Mancebo, » und es ist schwer, einem Drachen etwas auszureden, wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat.«
Mila nickte, dann erhob sie sich. Sie hatte eine Idee.
» Wo wollt Ihr hin, Condesa?«, fragte der Ritter, und sie hörte, dass er sich ebenfalls erhob.
» Nur einen Augenblick vor die Tür, Bruder Mancebo. Der Geruch unserer kommenden Mahlzeit ist mir etwas zu schwer. Ich brauche frische Luft, und außerdem habe ich noch etwas mit Nabu zu bereden.«
Der Maure verstand offenbar, dass sie mit ihrem Drachen allein sein wollte, und bat sie nur, auf sich aufzupassen. » Beim kleinsten Verdacht solltet Ihr mich rufen, Condesa.«
» Es sind zwei Drachen dort vor der Tür. Viel sicherer kann ich nicht sein«, entgegnete sie lächelnd.
Sie verließ das Haus und atmete tief durch. Die Kopfschmerzen, die sie verfolgten, seit sie in dieser Höhe waren, hatten im Qualm des Herdfeuers noch zugenommen. Jetzt an der frischen Luft wurde es besser. Sie hörte an Ianus’ ruhigen Atemzügen, dass der Drache eingeschlafen war, aber Nabu begrüßte sie mit einem leisen Schnauben. Sie lief zu ihm und legte ihm die Hand auf den Hals. » Glaubst du, ich kann mit Ianus reden, über das, was du die Gabe nennst? Ich glaube, er leidet, weil er es war, der die Krankheit in meine Familie brachte.«
Nabu brummte
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