Drachensturm
war, Streit gegeben, weil der Hochmeister vorgeschlagen hatte, die fünf Drachen, die unter dem Kommando von Marschall di Collalto zu Almagros Unterstützung ausgesandt worden waren, zurückzurufen, denn er war der Ansicht, man würde sie brauchen, wenn man auf Atahualpa traf. Hernando Pizarro hatte es verstanden, diesen Vorschlag so zu verdrehen, dass er fast einer Beleidigung gleichkam, und es damit seinem Bruder Francisco unmöglich gemacht, ihn anzunehmen. Dieser hatte vor, sich mit Almagro in Caxamalca zu treffen, und zeigte sich zuversichtlich, dass sie fast gleichzeitig dort ankommen würden. Mila war rätselhaft, woher er diese Zuversicht nahm. Und ihr war klar, dass der Gesandte des Inka den Streit mit Interesse verfolgt hatte, denn er war genau das, was sie hatten verbergen wollen – ein Zeichen der Schwäche.
Nach ihrer Landung geleitete Ruiz Mila an seinem Arm durch das Lager, denn sie sollte den Führern der Unternehmung Bericht erstatten. Sie hörte mehrere Feuer prasseln und die Stimmen von Männern, die sich halblaut unterhielten. Es ging ruhig zu, die Strapazen der letzten Tage schienen den Konquistadoren noch in den Knochen zu stecken. Meister Albrecht hatte berechnet, dass der Pass über zwölftausend Fuß hoch lag, und selbst die Drachen hatten den Einschnitt, den Nabu entdeckt hatte, nur unter Mühen überqueren können. » Drachen sind Wesen des Feuers, und diese Kälte ist nicht gut für uns«, hatte Nabu Mila erklärt. Auch sie hatte unter der dünnen Luft und der schneidenden Kälte in der Nacht gelitten. In der Hochebene war es nicht ganz so frostig, aber sie war doch froh, jetzt ans Feuer treten zu können.
» Ich grüße Euch. Wie war Euer Flug, Condesa, und was könnt Ihr melden?«, begrüßte sie Don Francisco Pizarro.
Ruiz hatte sie leise darüber aufgeklärt, wer dort außer den Pizarros noch saß. Sie grüßte höflich ihren Onkel, Francisco Pizarro und seinen Bruder Hernando, dann Pater Valverde, Graf Tassilo, Don Mancebo und zu guter Letzt den Alchemisten und den Gesandten des Inka. Sie bemerkte, dass auch Graf Balian in der Nähe war. Er stand etwas abseits und unterhielt sich leise mit seinem Bruder Konrad. Er schien unzufrieden über irgendetwas zu sein, und Konrad antwortete einsilbig und mürrisch. Mila meldete: » Der Flug war beinahe ereignislos, Don Francisco. Wir fanden entlang der Straße nur verlassene Siedlungen und eine Stadt, die ebenfalls verlassen war. Wir trafen dort eine Eingeborene, eine alte Frau, die uns erzählte, dass es der Herrscher dieses Landes selbst war, der den Indios befahl, ihre Häuser zu verlassen.«
» Ein altes Weib? Haltet Ihr das etwa für glaubwürdig? Warum sollte der König dieses Landes so etwas befehlen? Ich sage, sie sind vor uns geflohen, ein Zeichen ihrer Schwäche«, sagte Don Hernando.
» Offenbar wisst Ihr inzwischen mehr als ich, Don Hernando«, erwiderte Mila gereizt.
» Es fällt mir schwer, dem zu vertrauen, was eine Blinde sieht«, polterte der Kastilier.
» Mir erscheint plausibel, was unsere Ritterschwester meldet«, sprang ihr unerwartet Graf Tassilo zur Seite, » aber vielleicht kann uns der Gesandte hier Auskunft erteilen.«
Also fragte Mila den Tucuyricuc, der mit ausdrucksloser Stimme antwortete: » Wenn der Sohn der Sonne es befiehlt, gehorchen seine Kinder.«
Mila übersetzte, und Francisco Pizarro murmelte: » Dieser schlaue Hund weicht einer klaren Antwort aus. Aber geben wir uns einstweilen damit zufrieden. Die Menschen sind also fort, aber was ist mit den Kriegern? Könnt Ihr sicher sagen, dass der Weg frei ist von Truppen?«
» Nein, Don Francisco, aber bis zur nächsten Stadt, die Eure Männer übrigens schon morgen erreichen könnten, haben wir keine feindlichen Krieger entdeckt.«
» So habt Ihr auch unter die Dächer geschaut?«, fragte Don Hernando höhnisch.
» Das nun nicht, aber die Gehöfte, die ich … die Nabu sehen konnte, waren klein, viele Krieger könnten sich dort nicht verstecken. In der Stadt mag das natürlich anders sein, aber auf mich – und auf meinen Drachen – wirkte sie sehr verlassen.«
» Und was ist mit den Wäldern? Wenn sie sich dort verstecken, wird Euer Drache sie kaum gesehen haben«, warf Don Hernando ein, der die Mahnung seines Halbbruders, in der Gegenwart des Gesandten nicht zu streiten, offenbar vergessen hatte.
» Hier gibt es nicht viel Wald, Don Hernando«, belehrte ihn Mila, » ganz im Gegenteil, die Straße führt Euch bald in ein fruchtbares Tal, in dem
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