Drachensturm
Steinschleudern um den Unterarm gewickelt.
» Willst du Wasser?«, rief der Grauhaarige, als Kemaq fast bei ihnen war.
Er hatte Durst, aber irgendetwas an der Sache gefiel ihm ganz und gar nicht. Die beiden Jüngeren tauschten Blicke, und einer von ihnen ging weiter hinaus auf die breite Straße. Er versuchte, ihm den Weg zu verstellen!
» Wasser wäre gut«, rief er trotzdem und lief langsam noch näher heran. Er versuchte, sich sein Misstrauen nicht anmerken lassen.
Der Grauhaarige schickte einen der beiden Jüngeren ins Haus, um das Verlangte zu holen, aber der Zweite versuchte unauffällig, die Lederschnur seiner Schleuder vom Handgelenk zu lösen. Das genügte Kemaq – er schlug einen blitzschnellen Haken und rannte hinaus aufs Feld.
» Ihm nach!«, brüllte der Grauhaarige.
Kemaq hetzte über das Feld. Etwas streifte ihn an der Schulter. Ein Stein. Kemaq schlug erschrocken wieder einen Haken. Er blickte zurück. Der Krieger ließ wieder seine Schleuder kreisen, der andere der beiden Jungkrieger verfolgte ihn. Der Mann war schnell. Kemaq beschleunigte. Er war ein Läufer, er würde sich doch wohl nicht von einem Krieger einholen lassen! Ein weiterer Stein zischte an seinem Kopf vorbei. Kemaq biss die Zähne zusammen, seine Zuversicht war dahin. Ein einziger Treffer, und er wäre verloren. Er schlug wieder einen Haken. Ein kleiner Wald lag etwas abseits der Straße. Dort wäre er sicher. Als er darauf zuhielt, bemerkte er dort eine Bewegung, und plötzlich traten drei Krieger mit Speeren hervor. Hinter ihm stieß jemand einen Pfiff aus. » Fangt ihn!«, brüllte der Grauhaarige. » Er hat uns gesehen!«
Kemaq schlug wieder einen Haken. Der nächste Stein verfehlte ihn deutlich, aber er hörte schon den Atem seines Verfolgers, der bei jedem Haken, den er schlagen musste, näher herankam. Die drei Speerträger aus dem Wald waren ausgeschwärmt und schnitten ihm den Fluchtweg ab. Kemaq hetzte weiter und suchte ein Schlupfloch. Er war unbewaffnet, einen Kampf konnte er nicht gewinnen. Plötzlich blieb einer der Speerträger stehen und stieß einen Laut des Schreckens aus. Sein Blick war in den Himmel gerichtet. Kemaq hörte ein schweres Sausen in der Luft. Er wusste, was das war. Die Krieger warfen sich schreiend zu Boden und bargen die Köpfe in den Armen. Kemaq hielt sich nicht damit auf, zurückzuschauen. Es war doch gleich, ob ihn diese Krieger töteten, oder der Drachen. Mit einem verzweifelten Satz sprang er über einen der kauernden Krieger hinweg und rannte weiter Richtung Wald.
Nabu zog tief über die Erde hinweg, und Mila hörte die erschrockenen Schreie von Männern.
» Ist es denn nötig, dass du die Indios erschreckst?«, fragte Mila.
» Sie jagen einen Mann, und sechs gegen einen erschien mir einfach nicht gerecht.«
» Vergiss nicht unseren Auftrag, Nabu.«
» Schon gut, Prinzessin«, brummte der Drache und stieg wieder auf. Eine Weile flog er schweigend weiter. Plötzlich leuchtete die Flamme in der Finsternis auf, sie teilte sich, breitete sich aus, und dann sah Mila gar nicht weit entfernt eine Stadt liegen, ein bleiches Flackern auf der dunklen Erde. Und rechts davon erstreckte sich etwas, das sie nicht gleich erkannte. » Was ist das?«, fragte sie staunend.
» Ich würde sagen, wir haben das Heer der Indios gefunden«, meinte Nabu.
» Sind das Zelte?«
» Ja, Prinzessin, und zwar tausende davon.«
Mila schwieg beeindruckt. Ein Meer von Zelten schien sich über die langgezogenen Hügel zu ergießen.
» Wenn du nichts dagegen hast, fliege ich zurück. Pizarro meinte doch, wir sollten uns dem Feind nicht vor der Zeit nähern.«
Mila nickte stumm, auch wenn der Drache das nicht sehen konnte. » Ist er eigentlich entkommen?«, fragte sie.
» Wer?«
» Der Mann, der gejagt wurde.«
» Ich glaube schon. Er ist in einem Wald verschwunden.«
» Das freut mich«, sagte Mila. » Es ist doch schön, wenn wir zur Abwechslung einmal einem Mann in Not helfen.«
» Wie die Ritter in alter Zeit«, meinte Nabu, und es klang ein wenig spöttisch, was Mila eigentlich gar nicht angebracht fand.
Kemaq rastete an einer Quelle und trank in großen Schlucken kaltes Wasser. Der Wald lag ein gutes Stück hinter ihm, und offenbar hatten diese Krieger nicht versucht, ihn zu verfolgen. Kemaq hatte im Dickicht des Waldes nicht sehen können, welcher der fliegenden Götter ihn gerettet hatte. Ob es wieder der blaue gewesen war, jener, der die goldhaarige Fremde trug? Huaxamacs Krieger hatten ihm
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