Drachensturm
dieser Stadt leben, es doch kennen und selbst verwenden.«
» Nun, vielleicht tun sie das, denn der Reinheitsgrad des Silbers weist darauf hin.«
» Ein Hinweis, Meister Albrecht, mehr nicht, denn was sollen reines Silber und Eure Medizin miteinander zu tun haben? Haben wir nicht in Chan Chan gehört, dass eine schreckliche Seuche dieses Land heimgesucht hatte? Wo war denn da Eure allheilende Medizin? Und jetzt entschuldigt mich, ich will sehen, wie weit Ruiz mit dem Geschirr ist.«
» Was ist denn mit dir los?«, fragte Nabu, als sie zu ihm kam. Ruiz saß etwas abseits auf einem Stein. Sie hörte ihn leise fluchen, also arbeitete er vermutlich.
» Nichts«, entgegnete sie.
» Du ziehst aber ein Gesicht, das zu einer Prinzessin nicht besonders gut passt.«
» Comtesse«, entgegnete sie wütend. Dann seufzte sie. » Entschuldige bitte, es ist dieser Gelehrte. Er glaubt, dass Tamachoc ein weiterer Hinweis auf den viel gesuchten Azoth ist.«
» Davon habe ich gehört«, entgegnete Nabu. » Stell dir vor, er hat sich in dieser Frage an Ianus, und weil dieser nicht mit ihm reden wollte, an Marduk gewandt.«
» An Marduk?«, fragte Mila erstaunt.
» Ja, ich glaube, er sucht Verbündete, um Pizarro umzustimmen.«
» Bei mir hat er es auch versucht!« Jetzt war sie wirklich wütend. Hatte er ihr etwa nur von diesem Allheilmittel erzählt, damit sie bei Pizarro ein gutes Wort für ihn einlegte? Es war unfassbar. Merkte er nicht, dass er damit etwas sehr Empfindliches berührte?
» Das ist allerdings seltsam«, meinte Nabu nachdenklich. » Den Anführer der Drachen auf seiner Seite zu haben, ist sicher hilfreich, aber was verspricht er sich von deiner Unterstützung?«
Mila schnappte nach Luft: » Willst du damit etwa sagen …«
» Nein«, erwiderte Nabu mit einem leisen Lachen. » Ich nehme dich nur auf den Arm, um dich von dieser ungesunden Wut zu befreien.«
» Schönen Dank!«, rief sie. » Ich hoffe, Marduk hat ihm ordentlich die Meinung gesagt.«
» Ganz im Gegenteil, Prinzessin. Er hat ihm zugehört, ihm aber nicht einmal eine Antwort gegeben. Da muss dem Stinker schon etwas Besseres einfallen, wenn er Hilfe von einem Drachen erhalten will.«
» Bei Behemoth ist ihm wohl etwas eingefallen«, gab Mila spitz zurück. Sie war immer noch so aufgebracht, dass sie ganz vergessen hatte, dass der Drache gar nicht weit entfernt war.
Behemoth schnaubte, und Mila errötete.
Der Drache erhob sich und sagte mit einem tiefem Grollen: » Es war etwas, worum Balian mich dringend bat.« Dann schnaubte er noch einmal, streckte sich und stapfte davon. Mila hörte, dass er noch einmal stehen blieb und sagte: » Es wird auch nicht wieder geschehen.«
» Was hatte nun das zu bedeuten?«, fragte Mila leise. Sie spürte die Erschütterungen des Bodens, als Behemoth sich ein gutes Stück entfernt schwerfällig wieder niederließ.
» Marduk hat ihm ein paar Worte in dieser Angelegenheit gesagt, und selbst sein Freund Nergal war angewidert von Behemoths Einverständnis, den Alchemisten zu tragen.«
» Und er hat es sich zu Herzen genommen?«, fragte Mila.
» Behemoth? Bestimmt nicht. Ich glaube nicht, dass irgendetwas auf dieser Welt noch seine dicken Schuppen durchdringt und sein Innerstes erreicht.«
» Das klingt beinahe, als würdest du ihn bedauern.«
» Gewiss nicht, Prinzessin. Eigentlich will ich dich vor ihm warnen. Er mag träge und gleichgültig wirken, doch das ist nur die Oberfläche. Er ist ein Drache, und tief in ihm brennt noch das alte Feuer. Du solltest nicht in seiner Nähe sein, wenn all die angestaute Wut aus ihm herausbricht.«
Die Reihe der Zelte schien kein Ende nehmen zu wollen. Sie bedeckten den ganzen Hügel oberhalb jener heißen Quellen, die der Grund dafür waren, dass der Sapay Inka hier ein großes Haus errichtet und jetzt sein Lager aufgeschlagen hatte. Die Zahl der Krieger erschien Kemaq unglaublich. Noch nie hatte er so viele Menschen auf einem Haufen gesehen. Es war ein ziemliches Durcheinander, wenigstens auf den ersten Blick: die Zelte, die Lagerfeuer, die Männer, die mit Aufträgen hin und her eilten, in Gruppen beisammensaßen, ihre Waffen pflegten oder ihre Schilde und Rüstungen flickten. Aber Kemaq spürte, dass es eine Ordnung gab, die alldem zugrunde lag, eine strenge Ordnung, die jedem Menschen auf diesem Hügel, der einem Ameisenhaufen ähnelte, seinen genauen Platz zuwies. Und an der Spitze dieser Ordnung stand der göttliche Sapay Inka. Kemaqs schwache Hoffnung, Atahualpa
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