Drachensturm
begrenzten Raum, einem Hof vielleicht. Mila streichelte ihr Pferd, um es zu beruhigen, aber eigentlich wollte sie sich vor allem selbst beruhigen. Hier war die Stimmung anders. Feindseligkeit war spürbar.
Jemand trat vor und sagte: » Steigt von diesen Wesen, speist mit uns und sagt, was ihr zu sagen habt, Fremde.«
» Niemand steigt ab«, rief Hernando, als Mila übersetzt hatte. Sie hörte sein Pferd unruhig tänzeln. Dann sagte er: » Seid so freundlich und überbringt unsere Botschaft, Condesa.«
Mila richtete sich im Sattel auf und rief: » Dies ist Don Hernando Pizarro, Abgesandter seines Bruders Don Francisco Pizarro, der unser Oberbefehlshaber ist. Er ist deinem Wunsch gefolgt, nach Caxamalca zu kommen, denn er hat dir vieles zu sagen. Von unserem Kaiser, der der mächtigste Herrscher der Welt ist, und vom wahren Glauben, den wir dir und deinem Volk bringen wollen. Unser Anführer lädt dich ein, ihm in Caxamalca die Ehre deines Besuchs zu erweisen.« Mila erschienen besonders die letzten Worte heikel, denn sie wusste doch, dass es eine Unverschämtheit war, den Herrn dieses Landes in seine eigene Stadt einzuladen.
Es erfolgte für eine Zeit, die Mila ewig erschien, keine Antwort, bis plötzlich eine brüchige Stimme sagte: » Atahualpa hat eure Worte vernommen.«
» Fragt diesen Heiden, ob der Sapay Inka uns auch sagen will, was er beschlossen hat, Condesa«, forderte Hernando Pizarro.
Als Mila übersetzt hatte, meldete sich eine andere, dunkle Stimme zu Wort: » Dies sind Fastentage für mich. Doch werde ich morgen in meine Stadt kommen und mit eurem Anführer sprechen. Ihr seid in mein Land gekommen, doch seid ihr nicht willkommen. Ihr habt meine Städte angegriffen und meine Untertanen getötet. All das muss morgen besprochen werden. Dann werde ich euch sagen, was weiter geschehen wird.«
» Befehle, Befehle«, rief Hernando Pizarro. » De Soto, zeigt ihm, was wir von seinen Befehlen halten.«
Notgedrungen hatte sich Kemaq dem Hohepriester angeschlossen, und nun stand er im Hof und lauschte dem, was gesprochen wurde. Er hatte sich mit Bedacht einen Platz möglichst weit im Hintergrund gesucht, denn er traute diesen Fremden nicht. Er war sehr überrascht, als er die Frau mit den goldfarbenen Haaren unter ihnen sah. Sie trug zwar einen Helm, aber ihr langes Haar schimmerte darunter hervor. Sie sprach für die anderen Männer, die in den Hof gekommen waren. Wie anders verhielten sie sich als die Großen des Inkareiches! Weder waren sie von ihren vierbeinigen Tieren gestiegen, noch erschienen sie barfuß, und auch die Last der Demut, mit der doch selbst der berühmte Feldherr Rumi-Nahui vor Atahualpa erschienen war, trugen sie nicht.
Kemaq konnte seinen Blick nur schwer von der Fremden wenden. Er hatte immer noch niemandem erzählt, dass sie blind war. Das war etwas, was ihm Unbehagen bereitete. Wenn Atahualpa oder ein anderer es merkte, würden sie vielleicht nicht mehr so wohlwollend über ihn urteilen. Es war schwer zu sagen, was die Würdenträger im Hof dachten. Sie standen dicht gedrängt um Atahualpa, so als wollten sie ihm im Falle einer Gefahr zu Hilfe kommen. Der Sapay Inka war der Einzige, der die Fremden nicht anstarrte. Er blickte wieder in eine ganz andere Richtung, als die Frau die Worte des hässlichen Anführers übersetzte. Einer der Berater erklärte, dass er verstanden hatte, aber die Fremde fragte auf Geheiß des Hässlichen nach, was Atahualpa nun beschlossen habe. Kemaq selbst hätte das nie gewagt. Ihm fiel jetzt auf, dass auch die Fremde den Sohn der Sonne scheinbar nicht ansah, als würde sie ihn nicht beachten. Er fragte sich, ob noch jemand anders bemerken würde, dass sie das tat, weil sie blind war. Und dann sprach Atahualpa, der doch den ganzen Tag noch kein Wort für all die versammelten Würdenträger gehabt hatte, zu den Fremden, aber so leise, dass Kemaq ihn nicht verstand.
Wieder übersetzte die Goldhaarige, dann rief der Hässliche wieder etwas, und ein Dritter stieß einen lauten Ruf aus und riss am Geschirr seines schwarzen Tieres. Es stellte sich plötzlich schnaubend auf die Hinterläufe, rannte nach rechts, wurde von seinem Reiter knapp vor einigen Priestern zurückgerissen, schoss in einigen Sprüngen nach links, wurde wieder hart zurückgerissen und sprang dann auf den Sapay Inka selbst los. Das alles ging blitzschnell, aber Atahualpa verzog nicht eine Miene, auch nicht, als der Fremde sein großes Tier im letzten Augenblick anhielt und es schnaubend
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