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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Tassilo hat Recht. Die Indios halten uns für unsterbliche Wesen, diesen Vorteil sollten wir nicht zu schnell aufgeben, auch wenn wir dafür Opfer bringen müssen.« Dann erteilte er Anweisung, dass die Ritter und Knappen den Leichnam in die Kapelle tragen sollten, während er den Tressler und den Marschall bat, für weitere Beratungen zu bleiben.
    Mila wusste nicht, was sie nun tun sollte. Sie folgte den Rittern, aber kurz hinter der Tür blieb sie stehen. Sie hätte gerne noch einmal mit ihrem Onkel geredet, aber nicht, solange die anderen Meister des Ordens noch anwesend waren. Offenbar hatten sie wichtige Dinge zu besprechen. Sie lauschte den schweren Schritten der Männer nach, die mit ihrer traurigen Last den Gang entlanggingen. Dann fiel ihr etwas ein. In der vergangenen Nacht hatte sie etwas gehört, etwas, das sie bedrückte und das sie nicht verstanden hatte. Jetzt wusste sie es: Es war der Tod Don Rodrigos gewesen! Aber da stimmte etwas nicht, passte nicht zusammen. Sie dachte nach, versuchte zusammenzusetzen, was sie zwischen Traum und Wachen gehört hatte. Viel war es eigentlich nicht. Sie kämpfte mit sich selbst. Was sie zu sagen hatte, warf vielleicht mehr Fragen auf, als es beantwortete. Außerdem würde sie Konrad von Wolfegg einen Gefallen tun. Aber sie konnte es nicht unerwähnt lassen, also lief sie zurück in die Kammer. » Verzeiht, Ihr Herren, doch ich habe etwas zu sagen«, begann sie.
    » Comtesse Milena, Ihr stört uns in einer sehr ernsten Angelegenheit«, fuhr sie der Tressler ungehalten an.
    » Bitte, Freund, seht Ihr nicht, dass Ihr sie erschreckt?«, rief di Collalto erstaunt.
    » Wir sind im Krieg«, murmelte der Tressler, und es war Mila nicht klar, ob er sich damit entschuldigen oder nur seine Unhöflichkeit rechtfertigen wollte.
    » Nun, Milena, ich hoffe, du hast einen gewichtigen Grund, diese Unterredung zu stören«, sagte ihr Onkel, und daran, dass er ihren vollen Namen benutzte, erkannte sie, dass er ebenfalls über ihr Eindringen verärgert war. Sie hoffte, dass das, was sie zu sagen hatte, das ändern würde: » Ich bitte noch einmal um Vergebung, Ihr Herren, doch habe ich etwas zu berichten, was vielleicht für diesen Fall wichtig sein könnte.« Sie ließ sich jetzt auch von Tassilos abfälligem Schnaufen nicht mehr aus dem Konzept bringen: » Ich erwachte in der Nacht, einige Zeit vor Tagesanbruch, weil ich etwas hörte. Ich verstand zunächst nicht, was es war, aber ich weiß jetzt, dass es Don Rodrigos Sturz gewesen ist. Ich hörte einen Schrei und einen dumpfen Aufschlag.«
    » Nun, wie bedauerlich, dass Eure Nachtruhe gestört wurde, Comtesse«, unterbrach sie der Tressler herablassend, aber Mila fuhr fort: » Verzeiht, aber eigentlich hörte ich zwei dumpfe Schläge, einen nach und einen vor dem Schrei.«
    Für einen Augenblick schwiegen die Männer verblüfft. Dann sagte der Marschall: » Also hat Konrad doch Recht gehabt mit seinem Schatten. Ein Angriff im Dunkeln.«
    » Wenn sich dieses Mädchen nicht einfach verhört hat«, widersprach Graf Tassilo.
    » Ich verstehe Eure Zweifel, Graf Tassilo«, behauptete Mila, » doch mein Gehör ist schärfer als manches Auge. Lasst mich Euch Folgendes sagen – in diesem Raum befinden sich drei Männer. Ihr, Marschall di Collalto, steht dort drüben an einem jener Fenster, die oben schmaler sind als unten, dem dritten von der eingestürzten Ecke her gezählt, um genauer zu sein. Ihr selbst, Graf, steht zur Linken meines Onkels. Wenn Ihr es noch genauer wissen wollt, so kann ich Euch sagen, dass Ihr alle in voller Rüstung seid, jedoch, bis auf meinen Onkel, die schweren Reitumhänge abgelegt habt. Was nun Eure Rüstung betrifft, Graf, so solltet Ihr gelegentlich nach den Riemen Eurer Armschiene schauen, denn sie scheint etwas locker zu sitzen. Wenn Ihr weiterhin an meinem Gehör zweifeln wollt, so kann ich euch sagen, dass es nicht die linke ist, die Ihr gerade prüft.«
    Di Collalto schien ein Lachen unterdrücken zu müssen, aber Mila spürte, dass ihr vom Tressler nur eisige Verachtung entgegenschlug.
    » Die Männer sollen weitersuchen«, sagte der Hochmeister düster. » Offenbar ist wirklich ein Mörder in diese Festung eingedrungen.«
    Kemaq lief. Er hatte Tikalaq vor beinahe einer Stunde verlassen. Die schmale Hochebene lag hinter ihm, ebenso das erste der Botenhäuser. Er hatte den Beutel, den jeder Chaski für leichte Waren mitführte, dort zurückgelassen, ebenso sein Obergewand. Ihm war klar, dass er Gewicht

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