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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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auch eine der anderen Wachen sicher bemerkt«, erwiderte der Hochmeister nachdenklich.
    » Es ist schon wahr, dass wir es nicht ausschließen sollten«, stimmte Don Mancebo zu. » Ich habe mir die Stelle angesehen. Diese Treppe, an der es geschah, ist alt und verwittert, wie alles Mauerwerk hier. Und gerade im Dunkeln kann eine Stufe leicht verfehlt werden.«
    » Ich weiß nicht, was der Junge dort gesehen haben will. Wir haben jedenfalls bisher keine Spur eines Feindes entdecken können«, warf der Tressler ein. Mila fand diese Bemerkung nicht sehr taktvoll. Die von Wolfeggs waren Neffen des Tresslers, und Konrad war sogar im Raum, aber offenbar wollte Graf Tassilo darauf keine Rücksicht nehmen. Sie wusste allerdings schon aus eigener Erfahrung, dass der Tressler kein Mann mit besonders viel Taktgefühl war, und er fuhr jetzt, wie um sie zu bestätigen, fort: » Don Rodrigo neigte immer schon zu Leichtfertigkeit und Übermut. Im Dunkeln eine Treppe hinunterzufallen, das passt zu ihm.«
    » Passt? Was redet Ihr da? Ein Ende in der Schlacht wäre für einen Ritter wie ihn weit passender gewesen«, entgegnete der Marschall erregt. » Und leichtfertig? Was glaubt Ihr denn, was er dort oben gemacht hat, Tassilo? Er war auf Wache und hat sicher keine Tänze aufgeführt! Und er hatte eine Fackel!«
    » Die hat er wohl erlöschen lassen«, vermutete der Tressler. » Er war in diesen Dingen oft etwas nachlässig.«
    Mila gefiel nicht, was er über Don Rodrigo sagte. Es klang herabsetzend. Mit der Hand strich sie über die Rüstung des toten Ritters.
    » Vorsicht, Condesa«, warnte Don Mancebo.
    Mila hielt mit fragender Miene inne.
    » Er ist schwer gestürzt und unglücklich auf sein Gesicht gefallen«, erklärte der Maure und ergänzte: » Es ist kein schöner Anblick, und Ihr solltet sein Antlitz auch besser nicht betasten, Condesa.«
    Erschrocken zog Mila die Hand zurück.
    » Also noch einmal«, fuhr der Tressler fort: » Wie sicher bist du dir, was den Schatten betrifft, mein Junge?«
    Konrad von Wolfegg räusperte sich, bevor er antwortete, dann sagte er mit leiser Stimme: » Ich war recht weit entfernt. Eine Fackel sah ich jedenfalls nicht. Aber ich drehte mich auch erst um, als ich den Schrei hörte. Als ich Don Rodrigo zu Hilfe eilte, war mir, als würde ich einen Schatten auf der Mauer sehen, aber es war sehr dunkel, und das Licht meiner eigenen Fackel blendete mich.«
    » Nicht sehr viel, wie ich sagte«, brummte der Tressler unzufrieden. » Und wir haben keine Spur von einem Feind gefunden. Wie sollte er auch über die Mauer kommen? Fliegen? Einen Drachen hast du ja wohl nicht gesehen, oder?«
    » Es war richtig, uns zu alarmieren, denn besser ein Alarm zu viel als einer zu wenig«, nahm der Hochmeister den Schildknappen in Schutz. Der Tressler bezeichnete ihn zwar als Junge, aber Konrad war älter als Mila. Er war der Anführer der drei Schildknappen, und seit der gemeinsamen Überfahrt in die Neue Welt war er ihr eine echte Plage.
    Der Marschall seufzte. » Mir wäre einfach wohler, wenn ich einem Feind die Schuld für diesen bitteren Todesfall geben könnte, einem Feind, den ich mit dem Schwert dafür bezahlen lassen kann. War es wirklich nur der blinde Zufall? Das ist schwer hinzunehmen.«
    » Die Wege des Herrn sind unergründlich, Lorenzo«, entgegnete der Tressler trocken. » Doch ungeachtet der Frage, wie er zu Tode kam, müssen wir nun tun, was getan werden muss.«
    » Fray Celso ist dabei, die Kapelle vorzubereiten«, sagte der Hochmeister, und Mila fand, dass er dabei müde klang.
    » Ich denke aber, wir sollten ihn in aller Heimlichkeit beisetzen«, erklärte der Tressler knapp.
    » Wollt Ihr ihm die Ehre verweigern, die ihm zukommt?«, fragte di Collalto schnell.
    » Nichts liegt mir ferner«, versicherte Graf Tassilo kühl, » doch ich denke, nach dem, was wir gestern von ihrem Priester gehört haben, halten sie uns für Götter. Wir sollten ihnen nicht zu schnell enthüllen, dass wir es nicht sind.«
    Mila brauchte einen Augenblick, um zu verstehen. Dann fiel ihr der Indio wieder ein, den die Ritter gestern durch den Gang vor ihrer Kammer geschleift und wohl verhört hatten. Man hielt sie für Götter?
    Don Mancebo und di Collalto widersprachen dem Tressler, aber der Hochmeister schnitt ihnen das Wort ab: » Ich verbitte mir weiteren Streit im Angesicht des Toten. Wir werden seine Seele im Gebet der Gnade unseres Herrn empfehlen und ihn in der kommenden Nacht in aller Stille beisetzen. Graf

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