Drachensturm
nein, den anderen, Condesa«, sagte Ruiz.
Sie gehorchte und fühlte das starke Eisen, das ihren Oberarm umschloss. Der Waffenknecht zog die ledernen Bänder an.
» Nicht zu fest, Ruiz«, bat sie. Ob der Marschall vielleicht doch noch rechtzeitig kommen würde? Fünf Drachen mehr oder weniger waren ein gewaltiger Unterschied, vielleicht würden sie jeden Augenblick am Himmel über Caxamalca erscheinen.
» Jetzt bitte der andere Arm, Condesa.«
» Was machen die Indios?«, fragte sie, während der Waffenknecht die Schulterbänder festzurrte.
» Sie nehmen auf dem Hügel Aufstellung, aber sie haben sich der Stadt immer noch nicht genähert, wie ich es gerade eben schon sagte, und vorhin auch.«
» Schon gut«, murmelte Mila. Konnte sie etwas dafür, dass sie blind war? Sie musste eben fragen, wenn sie wissen wollte, was in der Ferne geschah. Dass die beiden Kanonen auf der Festungsmauer bereit waren, wusste sie, denn sie hatte die Kommandos der Offiziere gehört und das Fluchen der Kanoniere, die die Munition erst bei Sonnenaufgang aus den Kammern, in denen sie über Nacht gelagert gewesen war, nach oben hatten schaffen dürfen. Sie wusste auch, dass die Drachen bereit waren, ebenso wie die Ritter. Der Hochmeister war allerdings unten in der Stadt, um Don Francisco vom Beschluss der Drachen zu unterrichten. Sie war sicher, dass die Pizarros darüber nicht sehr erfreut sein würden.
Sie seufzte, denn sie sollte auch schon längst gerüstet sein, aber es lag nicht an Ruiz, der sich Mühe gab, sondern an ihrem Unwillen, die schwere Rüstung anzulegen. Sie hatte es mit Absicht so lange wie möglich hinausgezögert, aber es erschien ihr jetzt doch klüger, bereit zu sein, bevor der Hochmeister zurück war. Vor allem, da dort drüben offenbar das ganze feindliche Heer zum Aufbruch bereit war. Hatten sie etwa vor, der Einladung für Atahualpa mit dreißigtausend Mann zu folgen?
» Die Panzerhandschuhe, Condesa«, kündigte Ruiz den nächsten Schritt an.
» Gib sie mir einfach, anziehen kann ich sie dann schon selbst«, erklärte sie mit einem verärgerten Stirnrunzeln.
» Wie Ihr wünscht, Condesa.«
» Sieh bitte noch einmal nach der Beinschiene, links, sie sitzt etwas locker, scheint mir«, sagte sie.
Ruiz gehorchte, und dann war sie zufrieden. Sie musste wieder anerkennen, dass der Schmied der Konquistadoren gute Arbeit geleistet hatte, als er die Rüstung ihrem schlanken Körper angepasst hatte. Sie saß wie angegossen und behinderte ihre Bewegungen weniger, als sie erwartet hätte. Sie war nur froh, dass sie mit den fast dreißig Pfund Eisen am Leib nicht viel laufen musste – es war schwer genug, damit in den Sattel zu kommen.
» Ich danke dir, Ruiz. Du bist mir eine große Hilfe.«
» Danke, Condesa«, sagte der Waffenknecht, und er klang glücklich. Es war das erste Mal, dass sie ihn seit der Sache mit dem Geschirr lobte.
» Hast du den zweiten Sattel aufgelegt?«
» Natürlich, Condesa, gleich vorhin, als ich erfuhr, dass ich Euch begleiten darf, worüber ich von Herzen froh bin, denn mit den Kanonen, das kann ich Euch sagen, ist es wirklich eine elende Plackerei.«
» Gut, dann hilf mir in den Sattel, wir wollen bereit sein, wenn es losgeht.«
» Oh, ich glaube, es ist so weit, Condesa.«
» Was geschieht denn?«, fragte sie.
» Die Indios. Das Heer setzt sich in Bewegung.«
Der Abbau der Zelte hatte sich in einer Ordnung und Ruhe vollzogen, die Kemaq nur bestaunen konnte. Die Krieger wussten, was sie zu tun hatten, und sie taten es schnell, aber ohne Hast. Er stand auf einem großen Steinbrocken und sah zu, wie die letzten weißen Zelte zusammengerollt wurden. Das Heer war also vorbereitet – doch worauf? Würden sie doch in den Krieg ziehen?
» Du bist ja immer noch hier, Chaski«, sagte eine Stimme hinter ihm.
Kemaq drehte sich um. Es war der alte Tempeldiener. » Wo sollte ich sonst sein, Melap?«, fragte er mürrisch.
Melap kniff ein Auge zu. » Zunächst könntest du von diesem Stein herabsteigen, denn es strengt meine Augen an, gegen die aufgehende Sonne zu blicken. Dann habe ich dir aber auch schon mehrfach gesagt, wo du sein solltest, oder?«
Kemaq blieb aus Trotz auf dem Felsen stehen. » Du hast viel gesagt, Melap, noch mehr angedeutet und wohl das meiste verschwiegen. Aber ich will nicht fort, meine beiden Brüder sind hier, der eine hier im Heer, der andere drüben bei den Fremden, als Gefangener.«
» Vergiss deine Brüder«, forderte der alte Chachapoya ruhig, » es warten
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