Drachensturm
typischen salbungsvollen Art, die er auch im Quechua, das er mit starkem spanischem Akzent sprach, beibehielt. Er erzählte dem Inka von Gott, der alles erschaffen habe, von den ersten Menschen, dem Sündenfall und von Jesus Christus, der am Kreuz gestorben sei, um die Menschen zu erlösen, und von seiner Himmelfahrt. » Er ließ jedoch Petrus auf der Welt zurück, um seine Lehre weiterzugeben, und dessen Nachfolger, die Päpste, gelten heute noch als die Stellvertreter Gottes auf der Welt. Und der Papst hat dem Kaiser, dem mächtigsten Fürsten der Welt, den Auftrag erteilt, den Heiden das Wort Gottes zu bringen, auf dass sie seine Herrschaft anerkennen, wie es in der Heiligen Schrift bestimmt ist.« Mila hörte ungläubig zu. Der Pater sprach und sprach, und ihm antwortete das tiefste Schweigen, das man sich nur vorstellen konnte. » Don Francisco Pizarro ist nun hier, im Auftrag des Papstes und des Kaisers, um dir diese Nachricht zu bringen, Fürst Atahualpa. Ich fordere dich daher in seinem Namen auf, deinem Irrglauben abzuschwören und anzuerkennen, dass du dem Kaiser fortan untertan bist.«
Einen Augenblick blieb es still auf dem Platz, dann erhob Atahualpa seine Stimme. Sie bebte vor Zorn: » Ich bin Atahualpa Inka, der mächtigste und größte Fürst dieser Welt, und nie werde ich Untertan eines anderen sein. Ich kenne weder den Kaiser, noch habe ich je von dem Mann gehört, den du Papst nennst. Mein Glaube ist mir heilig, Fremder, und euren will ich nicht, denn eure Menschen haben den Gott getötet, der sie erschaffen hat. Mein Gott hingegen steht dort oben und blickt mit Wohlgefallen auf mich herab. Du redest ständig vom Wort deines Gottes und sagst, es ist in diesem Ding. Es spricht aber nicht.«
» Habt Ihr es gehört? Habt Ihr es gesehen?«, schrie Pater Valverde plötzlich laut. » Er lästert Gott und wirft die Bibel in den Schmutz! Auf sie, Ihr Streiter Gottes!«
Ein Kanonenschuss donnerte von der Festung, dann ein zweiter. Arkebusen krachten plötzlich von allen Seiten, die Reiter sprengten aus ihren Verstecken hervor, und dann hörte Mila, dass die Konquistadoren auf den Platz stürmten. » Santiago! Santiago!«, brüllten sie, und wieder donnerten aus den Häusern die Arkebusen und Musketen.
Mila hielt sich die Ohren zu, aber es war vergeblich. Pferde wieherten, Menschen schrien entsetzt auf, und dann entlud sich die ganze Anspannung des Tages in einem langen Aufschrei aus Schmerz und Tod, als die Spanier wie hungrige Wölfe über die unbewaffneten Indios herfielen.
Es wurde dunkel, aber niemand auf dem Hügel schien daran zu denken, ein Feuer zu entzünden. Kemaq starrte hinüber in die Stadt. Dort waren Fackeln zu sehen, die durch die Straßen wanderten, und vor der Stadt brannten mehrere große Feuer. In ihrem Licht waren Menschen zu sehen, die offenbar Gruben aushoben. Die Mitte der Stadt, dort, wo der große Platz lag, war hell erleuchtet. Es sah beinahe aus, als würde dort ein Fest gefeiert. Kemaq fühlte sich vor Entsetzen immer noch wie gelähmt. Er hatte den Donner, die Schüsse und die Schreie gehört – und nichts unternehmen können. Im Dunkeln näherte sich ein Mann.
» Ich brauche einen schnellen Läufer«, sagte eine Stimme, die Kemaq inzwischen gut kannte. Es war Rumi-Nahui. Als die ersten Überlebenden aus der Stadt geflohen waren und berichtet hatten, der Sohn der Sonne sei gefangen worden, war der Feldherr der Einzige gewesen, der einen kühlen Kopf bewahrte. Er hatte die Krieger zurück auf den Hügel geführt und dort erneut Aufstellung für die Schlacht nehmen lassen. Und es waren seine harte Hand und seine unerschütterliche Ruhe, die verhinderten, dass das Heer kopflos auseinanderlief, jetzt, da der Sapay Inka in der Hand des Feindes war. Gegen die Verzweiflung, die jeden einzelnen Mann befallen hatte, dagegen konnte jedoch selbst der große Rumi-Nahui nichts ausrichten.
» Ich brauche Nachricht aus der Stadt, Chaski. Ich muss wissen, ob Atahualpa Inka wirklich noch lebt«, sagte der Feldherr jetzt.
» Welche Botschaft soll ich hinunterbringen, Herr?«, fragte Kemaq. Er fühlte eine große innere Leere. Qupay war mit dem Inka nach Caxamalca gezogen und nun vielleicht tot.
» Ich weiß nicht, ob dich die Fremden mit Atahualpa sprechen lassen oder einfach gleich töten«, beantwortete Rumi-Nahui Kemaqs Frage. » Sage ihnen aber, dass du ihn sehen willst, denn nur dann werden wir glauben, dass ihm nichts geschehen ist. Sollte er jedoch tot sein, so werden wir sie
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