Drachensturm
» Den Kachilu Picchu erklettern? Weißt du nicht, dass dort oben eine Stadt der Wolkenmenschen liegt?«
» Eine Chachapoya-Stadt? Aber ich denke, die sind alle fort?«
» Das sind sie auch, jedenfalls beinahe alle. Aber als die Wolkenmenschen ihre Stadt dort oben errichteten, da haben sie sehr darauf geachtet, dass wir nicht hinaufkönnen – und das, obwohl wir ihnen beim Bau geholfen haben, damals, als das Sonnenvolk noch fern und die Tage glücklicher waren. Nur eine Straße haben sie angelegt, auf der Rückseite des Berges, und unüberwindlich sind die Mauern dort oben – außer für den Hunger. Der Inka hat ihre Stadt belagert, über viele Monde, bis sie aufgeben mussten. Aber du wirst keinen Weg über den Kachilu Picchu finden, du musst dir einen anderen suchen, Chaski, und ich glaube, ich habe dir einen genannt.«
» Bisher hast du mir aber nicht gesagt, was ich dort tun soll.«
» Gut, dann höre zu, Läufer, denn ich werde ihn dir beschreiben, so gut ich mich erinnern kann, und ich werde dir auch von dem großen Opfer erzählen, das du bringen musst, um dir Tamachoc gewogen zu machen.«
43 . Tag
Der Morgen begann mit dem üblichen kargen Frühstück. Danach nahm ihr Großonkel Mila zur Seite und sagte: » Ich würde es sehr begrüßen, wenn du des Nachts nicht mehr hinter mir oder Balian herschleichen würdest, Milena. Du hast dich zwar abseits der Feuer gehalten, was klug war, jedoch hast du lange genug zwischen mir und dem Wachfeuer gestanden, dass ich deinen Schatten sehen konnte.«
» Es tut mir leid, Onkel«, murmelte Mila.
» Wenn Balian dich auch bemerkt hätte, hättest du mich in eine sehr unangenehme Lage gebracht, Milena, das ist dir hoffentlich bewusst?«
» Es wird nicht wieder vorkommen, Onkel.«
» Du bist Ritterschwester dieses Ordens. Benimm dich entsprechend!«
Mila fragte sich, wie lange diese Predigt noch dauern würde. » Ich fand, es klang beinahe wie eine Drohung, was er zum Schluss sagte«, versuchte sie das Thema zu wechseln.
» Eines Tages werden sie dich noch mit deinem Ohr an eine Tür nageln«, sagte ihr Großonkel, der sich offenbar nicht so leicht ablenken ließ. Dann seufzte er, senkte die Stimme und sagte: » Du musst vorsichtiger sein, Mila. Es wäre sehr gefährlich für dich, Balian zum Gegner zu haben. Seine Familie hat viel Einfluss, und er selbst ist nicht der Mann, der viel Rücksicht auf andere nimmt.«
» Aber du wirst verhindern, dass er einen Meisterrang in diesem Orden bekleidet, oder?«
» Solange ich es vermag. Zum Glück steht Marduk ihm ähnlich skeptisch gegenüber wie ich, und das gibt bislang den Ausschlag. Aber wie ich schon sagte, seine Familie hat viel Einfluss.«
Bald darauf setzte sich der Zug wieder in Bewegung. Mila hörte die Reiter davongaloppieren, die Don Hernando, wie schon in den Vortagen, mit einigen Yunga voraussandte. Dann folgten unter dem Gerassel ihrer Schwerter und Rüstungen die Arkebusiere und Pikeniere, dazwischen vernahm Mila das Stöhnen der schwer beladenen Indios, und schließlich setzte sich auch das Geschütz rumpelnd in Bewegung, gezogen und geschoben von zwei Dutzend Männern. Die Ritter und Drachen ließen sich hingegen Zeit. Es war eine Sache weniger Flügelschläge, die Konquistadoren einzuholen, also bestand kein Grund zur Eile.
» Schamasch hofft immer noch, dass wir hier irgendwann auf einen würdigen Gegner treffen, Graf Maximilian«, sagte Sir William. Mila hörte, wie er das Geschirr seines Drachen überprüfte.
» Ich kann durchaus für mich selbst sprechen, mein Freund«, sagte Schamasch kühl.
Sir William lachte. » Einer muss doch das Gespräch eröffnen, und bei euch Drachen weiß man nie, ob ihr in Stimmung für ein bisschen Geplauder seid.«
» Für Geplauder sind wir nie in Stimmung«, sagte Schamasch. » Wenn es aber etwas zu sagen gibt, dann sagen wir es zur rechten Zeit.«
» Ich wurde gestern Nacht wieder vor diesen Bergen gewarnt«, platzte Mila heraus.
Den ganzen Morgen schon hatte sie überlegt, wie sie es am besten sagen sollte, aber es war ihr keine elegantere Möglichkeit eingefallen.
» Gewarnt? Von wem?«, wollte ihr Ritterbruder Balian wissen.
» Von der Indio-Frau, die mich auch schon auf jenem Hügel warnte, von dem ich Euch berichtet habe.«
Da der Engländer den Bericht nicht kannte, erzählte Mila noch einmal kurz von den unheimlichen Ereignissen dieser Nacht. » Und gestern Nacht, da … konnte ich nicht schlafen und spazierte um das Lager. Dort drüben am Waldrand
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