Drachensturm
kopfschüttelnd.
Kemaq starrte ihn an. Er hatte Pitumi bisher auch nicht wiedergesehen. Hatte sie sich in Luft aufgelöst, oder hatte er ihre Begegnung nur geträumt?
Der Fremde mit dem unangenehmen Geruch kletterte auf einen der Felsen und begann zu sprechen. Er bestätigte, was Kemaq vermutet hatte: Die Fremden wollten das Bergwerk freilegen – und den Gefangenen war es bestimmt, den größten Teil dieser Arbeit zu übernehmen.
» Dieser Mann … fällt dir etwas auf?«, fragte Yuraquiwa leise.
Kemaq schüttelte den Kopf. Der Mann redete und redete, und es wirkte unzusammenhängend. Er sprach davon, dass sie nicht genug Werkzeug hatten, warnte sie davor, davonzulaufen, und mahnte sie zu fleißiger Arbeit, weil sie nur dann auch gutes Essen bekämen. Er wirkte rastlos.
» Kuka«, meinte Yuraquiwa trocken. » Ich bin sicher, der Mann hat Kuka zu sich genommen, und zwar zu viel davon, wenn du mich fragst.«
Kemaq wunderte sich, dass er nicht selbst darauf gekommen war. Deshalb also war der Fremde so unermüdlich: Er hatte die heilige Pflanze gekostet.
» Sie sind schlau, diese Fremden«, brummte einer, der hinter Kemaq stand und wohl zugehört hatte.
» Sie sind gierig«, widersprach Yuraquiwa, » sie nehmen alles, was sie wollen. Und jetzt wollen sie unser Silber.«
» Das heißt, sie öffnen den Pfad«, murmelte Kemaq.
» Was weißt du von …?«, begann der Diener und verstummte, weil über ihnen einer der fliegenden Götter erschien und einen lauten Ruf ertönen ließ. Es war, als wolle er sie zur Eile treiben, aber als Kemaq seinen Flug verfolgte, sah er, dass er über dem Wald kreiste und in weiten Schleifen langsam an Höhe gewann. Es schien, als wolle er hinauf zu der alten Chachapoya-Festung.
Dann erschienen die Yunga und schickten die ersten Männer hinunter, dahin, wo die Werkzeuge lagen. Die Gefangenen wurden eingeteilt. Einige bekamen Hacken, um ein Loch in den Hang zu graben – eine Maßnahme, deren Sinn Kemaq nicht verstand, denn wenn sie zu tief gruben, würde der halbe Berg nachrutschen. Die anderen, zu denen auch Kemaq gehörte, sollten die alten Stützbalken, die Huáscar hatte entfernen lassen, wieder heranschaffen. Auch das erschien Kemaq sinnlos. Die Balken waren doch nur im Weg, solange der Gang nicht freigelegt war. Und wenn so viel Fels herabgestürzt war, wie es den Anschein hatte, würde es Tage dauern, bis sie den Eingang des alten Bergwerks auch nur zu sehen bekämen. Es gab noch eine Gruppe aus ein paar Männern, die kleine Holzfässer heranschafften und unter der besonderen Beobachtung der Krieger der Fremden standen. Einer von ihnen, vielleicht ein Unterführer, bezog unten am Hang Stellung und sorgte dafür, dass diese Holzfässchen an verschiedenen, genau vorgegebenen Stellen abgelegt wurden, was Kemaq ebenso rätselhaft erschien wie alles, was hier geschah. Als einer der Träger seine Last absetzte, stockte Kemaq der Atem. Es war Jatunaq.
Mila hatte eigentlich vorgehabt, mit ihrem Großonkel zu sprechen, sobald Don Hernando verschwunden war, aber dann kam der Hochmeister seinerseits zu ihr. Sie hörte seinen festen Schritt, der bald übertönt wurde vom schweren Stampfen Marduks, der ihm über den Platz folgte. Nach einer kurzen, etwas einsilbigen Begrüßung sagte Nabu geradeheraus: » Du machst ein Gesicht zum Fürchten, Maximilian, was beschäftigt dich?«
» Kann ich meine Stimmung so schlecht verbergen?«, fragte der Hochmeister.
» Ich höre sogar deiner Stimme an, dass du zornig bist, Onkel«, erklärte Mila.
» Schlechte Nachrichten, Mila, das heißt, ungeheuerliche Nachrichten sind es, die mir diesen Tag verderben. Ich habe dir ja gestern Abend gesagt, dass Fray Celso mich dringend zu sprechen wünschte. Nun, wie es aussieht, wurde der fromme Augustiner sehr von seinem Gewissen gequält, denn unsere spanischen Verbündeten planen Ungeheuerliches.«
Er schwieg einen Moment, aber Mila wagte nicht, eine Frage einzuwerfen. Jetzt fuhr er fort: » Ihr wisst vielleicht, dass die Indios glauben, dass sie ihren Leib im nächsten Leben brauchen, so jedenfalls hat es mir der Fray gestern erklärt. Deshalb fürchten sie nichts mehr, als dass er verbrannt wird, und genau das haben die Pizarros nun vor – hier und in Caxamalca.«
» Für einen Drachen ist der Feuertod eigentlich die Erfüllung seines Lebens«, sagte Marduk nachdenklich.
» Für diese Menschen aber eben nicht, mein Freund!«, rief der Hochmeister mühsam beherrscht. » Denkt euch, sie haben dem Curaca
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