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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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vielleicht eine Zeitlang ungestört bleiben würden. Es gab so viel zu erzählen, dass Kemaq nicht wusste, wo er anfangen sollte. Er begann mit Rumi-Nahui und ihrem Marsch hierher. » Und denk dir, ich habe Mocto in der Stadt getroffen!«, rief er leise.
    » Die Alte lebt? Das ist ein Wunder!«, erwiderte Jatunaq. » Ich will es als ein Zeichen nehmen, dass uns die Götter noch nicht ganz verlassen haben.« Dann erzählte er von seiner Gefangennahme, und wie die Fremden ihn gezwungen hatten, das große Donnerrohr die Berge hinaufzuschaffen, und dass der Sapay Inka allen Gefangenen verboten hatte, Fluchtversuche zu unternehmen, weshalb die verhassten Fremden nicht einmal mehr Ketten brauchten. » Und so treffen wir uns also in Gefangenschaft wieder, wer hätte das gedacht, Kemaq?«, schloss er.
    Kemaq stellte nun die Frage, vor deren Antwort er sich fürchtete: » Weißt du, was aus Qupay geworden ist?«
    Jatunaqs Miene verdüsterte sich. » Ich habe mich unter den Gefangenen von Caxamalca umgehört, keiner von ihnen konnte mir sagen, was ihm widerfahren ist. Gefangen genommen wurde er nicht, denn das wüsste ich. Daher muss ich fürchten, dass er nicht überlebt hat.«
    Kemaq nickte, war es doch auch das, was er im Innersten fühlte. Qupay war tot, und es war nur noch quälender, dass sie keine Gewissheit hatten.
    Eine Weile hingen sie beide ihren Gedanken nach, dann sagte Kemaq leise: » Ich habe dich heute Morgen schon gesehen, großer Bruder, als du die Fässer heruntergetragen hast, doch es waren so viele Yunga zwischen uns, dass ich dich nicht einmal rufen konnte.«
    » Deshalb solltest du dir keine Vorwürfe machen, kleiner Bruder.«
    » Deswegen nicht, Jatunaq, aber ich wäre eben beinahe davongelaufen, ohne dich noch einmal aufzusuchen.«
    Sein Bruder sah ihn stirnrunzelnd an. » Irgendetwas sagt mir, dass du dafür einen besonderen Grund hattest, denn ich spüre auch jetzt, dass du rastlos bist, während die anderen von uns sich doch in ihr Schicksal ergeben haben.«
    Kemaq seufzte, und dann erzählte er Jatunaq von Pitumi, von Tamachoc und vom Regentempel, der unerreichbar für ihn jenseits der Berge lag.
    Die Augen seines Bruders wurden immer größer, je länger Kemaq sprach. Dann sagte er: » Tamachoc – ich hatte ihn vergessen, wie so viele Bräuche unseres Volkes. Doch werde ich ihn von nun an um seinen Segen für dich bitten. Du sagst, es gibt einen Weg unter dem Berg hindurch?«
    » So sagen es die Alten. Tamachoc hat die Berggötter gezwungen, ihn für unser Volk anzulegen. Doch du siehst ja selbst, dass er verschüttet ist, und es kann Tage, wenn nicht sogar Wochen dauern, bis er freigelegt ist. Und bis dahin hält schon längst Rumi-Nahui den Regenstein in der Hand.«
    Jatunaq schüttelte den Kopf. » Du solltest die Fremden nicht unterschätzen, kleiner Bruder. In diesen Fässern, die wir heute heruntergetragen haben, wohnt der Donner, den sie in ihre Waffen sperren. Wenn sie ihn gegen den Berg richten, sprengen sie ihn vielleicht ganz entzwei, und zwar schneller, als du denkst. Der Kuka Machu mag schwächlich aussehen, aber er ist sehr schlau«, schloss Jatunaq und deutete auf den schmächtigen kleinen Mann, von dem schon Yuraquiwa behauptet hatte, dass er zu viel von der heiligen Pflanze nahm.
    Kemaq starrte hinüber. Die Ankay Yayakuna hatten den Mann von ihrem gefallenen Bruder vertrieben, doch sein Blick war voller Sehnsucht auf den riesigen toten Leib gerichtet. Sollte er wirklich derjenige sein, der ihm den Weg durch den Berg öffnete? Er wirkte beinahe entrückt, als habe er alles außer diesem gefallenen Gott vergessen, auch den Berg. Kemaq sah sich um. Die Arbeit ruhte, die Gefangenen hatten keinen Grund, weiter zu arbeiten, und die Fremden schienen es allesamt vergessen zu haben. Kemaq nagte an seiner Unterlippe, dann sagte er: » Hilfst du mir, Jatunaq?«
    » Natürlich, kleiner Bruder«, lautete die entschlossene Antwort.
    » Dann nimm dir eine Hacke. Es scheint, als müssten wir jetzt die Fremden daran erinnern, warum sie hierhergekommen sind.«
    Sechs Spanier trugen Sir William auf einer schnell gezimmerten Trage zurück in die Stadt. Er sollte im Palast aufgebahrt werden, und der Hochmeister dachte daran, wenigstens die Ritter, die derzeit in Caxamalca waren, hierherzurufen, damit sie ihm das letzte Geleit geben konnten. Marduk, Behemoth und Nabu wollten Schamasch nicht von der Seite weichen, und so kehrte Mila mit ihrem Onkel und Ritter Balian zurück in die Stadt, wo sie bald

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