Drachensturm
Gefühl, dass er sie ansah, als hätte sie etwas sehr Dummes gesagt. » Aber Comtesse, ein Drache, das ist etwas ganz anderes! Wollt Ihr denn nicht auch in Erfahrung bringen, wie sie die Flamme entzünden, mit der sie unsere Feinde vernichten? Und wollt Ihr nicht wissen, ob wahr ist, was man sich über ihr Blut erzählt?«
Mila runzelte unwillig die Stirn. Dieses Gespräch glitt in eine seltsame Richtung. » Ihr Blut?«, fragte sie, weil sie eben doch neugierig geworden war.
» Es heißt, angereichert mit den richtigen Ingredienzien mache es unverwundbar«, raunte der Alchemist.
» Das ist ein Märchen!«
» Vielleicht«, räumte der Alchemist ein, » aber wenn ich Schamaschs Leib nicht untersuchen kann, werde ich dieses Märchen nie widerlegen oder bestätigen können, denn so eine Gelegenheit bekommt ein Gelehrter wohl nur einmal im Leben, wenn überhaupt. Versteht Ihr wenigstens, vor welchem Dilemma ich stehe, Comtesse?« Es klang beinahe flehend.
» Ich verstehe es, kann Eure Motive aber nicht gutheißen. Die Achtung vor der Würde des Toten hat doch Vorrang vor Eurer Neugier, Meister Albrecht. Und ich werde die Drachen ganz gewiss nicht darum bitten, Euch gewähren zu lassen.«
Der Gelehrte seufzte wieder. » Ja, Comtesse, das habe ich eingesehen, und wenn Ihr so denkt, darf ich wohl nicht hoffen, dass Euer Onkel, der Hochmeister, in dieser Frage anders entscheiden würde? Nein? Gut. Aber könntet Ihr mir vielleicht bei einer anderen Sache behilflich sein?«
» Und die wäre?«, fragte Mila misstrauisch.
» Ich gedenke, bald den Eingang zur Mine freizusprengen. Es wird eine starke Explosion geben. Nun liegt der arme Schamasch nicht sehr weit vom Bergwerk entfernt, und ich fürchte ein wenig um die Gesundheit der anderen Drachen.«
» Ihr fürchtet um ihre Gesundheit?«, fragte Mila zweifelnd.
» Um offen zu sein, ich fürchte eher, dass sie mir es sehr übel nehmen, wenn ihnen die Felsbrocken um die Ohren fliegen. Sie könnten dabei verletzt werden.«
» Ihr solltet einfach einen Tag warten, Meister Albrecht«, schlug Mila vor. » Wenn sie Schamasch erst dem Feuer übergeben haben, dann werden sie Euch nicht mehr im Wege sein.«
» Das würde ich ja, das würde ich ja, Comtesse, doch Don Hernando drängt zur Eile. Er besteht darauf, dass die Sprengung noch heute erfolgt. Sie ist ja auch schon vorbereitet, und er hat wohl Sorge, das Pulver könnte den Indios in die Hände fallen.«
» Was sollten die denn damit anfangen?«, fragte Mila, die das Gefühl hatte, dass der Alchemist mindestens ebenso sehr auf die Freilegung der Mine brannte wie Hernando Pizarro.
» Das weiß ich auch nicht, aber ich kann schlecht für Don Hernando sprechen. Mein Anliegen an Euch wäre nun, Comtesse, dass Ihr die Drachen dazu bringt, sich wenigstens während der Sprengung vom Leichnam zu entfernen. Ich werde dann auch dafür Sorge tragen, dass die Indios den Leib mit Ästen decken, damit er nicht in Mitleidenschaft gezogen wird.«
Mila zögerte. Das Anliegen war berechtigt, dennoch wurde sie das Gefühl nicht los, dass der Alchemist Hintergedanken hatte. Nur zögernd stimmte sie zu.
Kemaq war mit seinem Bruder und anderen in den Wald geschickt worden, um Zweige zu holen. Rauchschwaden zogen durch die Bäume. Es war ein eigenartiges Feuer, das diesen Wald so gemächlich aufzufressen schien. Es wuchs nicht zum großen Flächenbrand, aber es erlosch auch nicht. Es waren Yunga, die die Zweige schnitten. Sie waren nicht so leichtsinnig, den Gefangenen die scharfen Klingen zu überlassen. Hier wäre es ein Leichtes gewesen, zu entkommen, doch Kemaq dachte nicht mehr daran, zu fliehen.
Die Fremden würden ihm den Berg öffnen, und wenn sie es heute schafften, dann könnte er tatsächlich noch vor Rumi-Nahui am Regentempel sein.
» Wem hast du noch von deiner Aufgabe erzählt?«, fragte Jatunaq, als sie schwer beladen aus dem Wald kamen.
» Niemandem, warum fragst du?«
» Der Kuka Machu, er stellt viele Fragen, auch nach Tamachoc.«
Einer der Fremden trieb sie zur Eile, und so hasteten sie schweigend weiter. Es würde viele Äste brauchen, um den großen Leib abzudecken. Wie alle Indios legte auch Kemaq seine sperrige Last in einiger Entfernung der Ankay Yayakuna ab. Er hatte zwar nicht so viel Angst vor ihnen wie die anderen, aber er wollte nicht auffallen. Außerdem schadete es nicht, wenn die Fremden auch selbst Hand anlegten.
Auf dem Weg zurück in den Wald fragte er Jatunaq: » Was weiß denn der Fremde über
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