Drachensturm
würden nicht stundenlang im Dunkeln umherirren. Da, seine Hand fasste ins Leere! Aber der Bach wurde nicht viel lauter. Dann fühlte er eine weitere Wand. Ein Gang – er war in einem schmalen Gang, der den Klang ablenkte. Das Geräusch des Baches schien vom anderen Ende dieses engen Weges zu kommen.
Das Hochland flog unter ihnen dahin, und der Schatten, der sie verfolgte, rückte unerbittlich näher. Nabu keuchte, und sein Flügelschlag wurde immer unruhiger. Schließlich seufzte er und streckte die Flügel aus. Er verlagerte sein Gewicht und flog eine langgezogene Schleife. » Wenn es losgeht, solltest du dich auf eine harte Landung gefasst machen, Milena. Ich werde versuchen, dort vorn nah am Wald zu landen. Vielleicht kannst du zwischen den Bäumen entkommen.«
Mila nickte stumm. Behemoth ließ einen leisen Ruf hören. Nabu wandte sich ihm zu, und durch seine Augen sah Mila den Schatten des großen Drachen heranrauschen. Er glitt jetzt ebenfalls ohne Flügelschlag durch die Nacht.
» Augenblick«, rief Mila, » er trägt keinen Reiter!«
Nabu zog die Schleife enger und flog damit Behemoth direkt entgegen. » Ich bin blind«, knurrte er, » und du hast Recht.« Dann stieß er selbst einen leisen Ruf aus, den Behemoth wieder beantwortete.
Erneut vollführte Nabu eine enge Wende in der Luft, und Mila hörte an seinem leisen Stöhnen, dass ihm das Schmerzen bereitete. Dann flogen die beiden Drachen Seite an Seite. Ihre Flügelspitzen berührten sich fast, aber sie glitten zunächst schweigend durch die Nacht.
Schließlich brach Mila dieses Schweigen: » Wo ist Ritter Balian?«, rief sie hinüber.
Behemoth schüttelte den schweren Kopf. » In der Stadt. Er rief mich. Doch dann sah ich Marduk. Der Stinker schneidet ihn auf.«
» Und was ist mit meinem Onkel, dem Hochmeister, Behemoth?«, rief Mila.
» Maximilian ist tot. Ich sah, dass sie seine Leiche über den Platz schleiften.«
Nabu knurrte. Dann sagte er nach einer düsteren Pause: » Du hättest mich früher rufen können. Ich dachte, du jagst uns.«
Behemoth antwortete mit einem tiefen Grollen. » Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich hätte sie verbrannt, wenn Balian nicht auch dort gestanden hätte. Ich kann doch meinen Ritter nicht töten«, setzte er hinzu.
Mila fühlte sich vollkommen leer. Ihr Großonkel war tot. Aber sie konnte nicht weinen. Sie rief hinüber: » Balian hat den Hochmeister verraten, und damit den Orden und die Drachen des Ordens. Und es war sein Bruder Konrad, der Marduk getötet hat. Ich glaube nicht, dass er noch als Ritter des Ordens gelten kann.«
Wieder glitten sie eine ganze Zeit schweigend durch die Nacht. Behemoth schien nachzudenken. Erst nach einer ganzen Weile fragte er mit einer Ruhe, die erschreckend wirkte: » Und was tun wir jetzt, Nabu, den man den Weisen nennt?«
» Wir müssen beraten, Behemoth. Wir werden die anderen Drachen zusammenrufen. Wenigstens die, die in Caxamalca sind.«
» Es kann nur eine Entscheidung geben«, meinte Behemoth, nachdem er wieder länger nachgedacht hatte.
» Welche meinst du?«, fragte Mila, nachdem Nabu darauf offenbar nichts entgegnen wollte.
» Vergeltung«, erwiderte Behemoth kalt.
Der Gang war sehr schmal, und Kemaq fragte sich, ob das wirklich der Weg sein konnte, den die Priester einst genommen hatten. Das Rauschen wurde lauter, und schließlich endete der Gang, und Kemaq trat wieder ins Wasser. Ein Bach, er musste einfach hinausführen, doch die Frage war, ob ein Mensch ihm dabei folgen konnte. Kemaq dachte nach. Es war der Mond des Jätens auf den Feldern, und das Regenfest der Marachuna fand immer erst am Ende dieses Mondes statt. Noch waren die Berge voller Wasser, denn der Frühling war noch nicht zu Ende. Wenn also die Priester hier durchgekommen waren, hatte der Bach sicher viel weniger Wasser geführt. Er seufzte und ging weiter. Vielleicht war es nur Einbildung, aber er glaubte, dass der Fels unter seinen Füßen geglättet worden war. Die Frage war nur, ob von Menschenhand oder vom Wasser, mit dem die Berggötter den Befehl Tamachocs erfüllt hatten. Der Weg, wenn es denn einer war, war nur an wenigen Stellen trocken. Die meiste Zeit musste Kemaq durch eiskaltes Wasser waten und sehr darauf achten, auf dem glatten Fels nicht auszurutschen. Die Dunkelheit war das Schlimmste, denn ihm war klar, dass er jeden Augenblick in ein tiefes Loch treten konnte. Er würde es erst merken, wenn es zu spät war. In dem anderen Gang – und inzwischen hatte er begriffen,
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