Drachensturm
herabgestiegen«, fügte er unsicher hinzu.
» Das mag wohl sein, Kemaq. Ich war in der Nacht am Fluss, weil ich seltene Kräuter suchte und Fledermäuse, die besser in der Nacht zu fangen sind. Da kamen die Schatten, große Wesen, wie ich sie nie zuvor gesehen habe, und sie griffen die Stadt an. Ihr Atem ist Feuer, und sie sahen aus wie Schlangen oder Eidechsen mit Flügeln.«
» Wie Tamachoc«, entfuhr es Kemaq.
Pitumi lächelte. » Genau wie Tamachoc und doch wieder nicht, denn sie tragen Reiter. Doch kann ich mir nur vorstellen, dass es Götter sind. Einer der Götter flog dicht über mich hinweg. Ich versteckte mich und sah, wie er das Chaskiwasi mit Feuer zerstörte und die Läufer dort tötete, bevor er weiterflog. Von deinem Freund hier hörte ich, dass sie die anderen Botenhäuser entlang der Straße ebenfalls zerstört haben. Du musst sie doch gesehen haben, oder?« Kemaq nickte schwach, und sie fuhr fort: » Als ich am Morgen zurück in die Stadt wollte, da fand ich sie von diesen Göttern bewacht. Sie kreisen darüber, und wenn doch einmal keiner von ihnen am Himmel ist, sitzen sie oben auf den hohen Tempeln und auf den Mauern der alten Festungen. Niemand kann ungesehen hinein oder hinaus.«
» Aber ich muss hinein, den Curaca finden, sonst wird mein Bruder geköpft!«, rief Kemaq bestürzt.
Pitumi sah ihn nachdenklich an. » Die Gesetze der Inka sind oft grausam«, stellte sie dann fest.
Kemaq verstummte. Ein weiterer Krampf erfasste sein linkes Bein.
» Vielleicht reicht es dem Hohepriester, wenn du meldest, was wir hier erfahren haben«, meinte der andere Läufer niedergeschlagen, aber Kemaq schüttelte den Kopf. Der Befehl des Hohepriesters war eindeutig. » Ich muss hinein«, sagte er ächzend, weil der Krampf immer schlimmer wurde.
» Die Götter töten Läufer, Chaski, und sie fliegen schnell wie der Wind. Und du könntest ihnen selbst dann nicht entkommen, wenn ich dir deine Schmerzen nähme.«
» Meine Schmerzen nehmen? Das könntest du?«, fragte Kemaq und überhörte die Warnung.
» Ich habe etwas heilige Asche und weißen Kalk, auch noch etwas Kuka. Wenn du mir von deinen Kuka-Blättern gibst, kann ich dir helfen.«
» So bist du eine Zauberin?«, entfuhr es Kemaq. » Kannst du nicht …«
» Eine Heilerin, Chaski, nur eine Heilerin«, unterbrach sie ihn, » und ich kann dich nicht an den Göttern vorbei in die Stadt bringen. Niemand kommt hinein oder hinaus, wie ich schon sagte.«
Kemaq gab ihr die Kuka-Blätter und starrte in das schnell vorbeiströmende Wasser.
» Der Fluss«, hörte er sich plötzlich sagen, » kommt denn der Fluss nicht hinein?«
Der Hochmeister ließ den Abgesandten am Tor warten, bis er, seine Ritter und ein halbes Dutzend Drachen auf dem Platz vor dem Palast Aufstellung genommen hatten. Mila hörte die Standarten des Ordens und des Kaisers im Wind flattern, Marduk hatte sie vom Dach des Palastes heruntergebracht. Die Ritter hatten in voller Rüstung Aufstellung auf den Stufen bezogen, und nun erwarteten sie den Abgesandten.
Der Indio kam, aber er ließ sich Zeit. Mila bewunderte den Mut des Mannes, der sich ganz allein in die Festung des Feindes begab. Sie hörte seinen ruhigen, sicheren Tritt zwischen den klirrenden Schritten der Waffenknechte des Ordens, die ihn geleiteten.
» Wie sieht er aus, Dietmar?«, fragte Mila leise.
» Ein Indio eben«, meinte der Diener halblaut. » Ein hässlicher Kerl, seine Nase ist ganz schief. Es wird ihr Kazike oder Curaca sein, oder wie immer sich der Herr dieser Stadt nennen mag. Aber der goldene Schmuck, den er trägt, der ist beachtlich.«
Mila kam nicht dazu, nachzufragen, was an dem Schmuck so bemerkenswert war, denn der Indio hatte den Platz überquert und stand nun am Fuß der Treppe. Einen Augenblick herrschte Stille, offenbar wartete der Curaca darauf, dass die Fremden das Gespräch eröffneten. Der Hochmeister tat ihm den Gefallen. » Ich, Maximilian von Friedberg, Hochmeister des Ordens der Drachenritter vom Heiligen Kreuz, entbiete dir meinen Gruß. Erlaube mir, nach deinem Namen und deinem Anliegen zu fragen.«
Fray Celso übersetzte, und da, wo ihm die passenden Quechua-Worte fehlten, verwendete er, aus welchen Gründen auch immer, die lateinischen Entsprechungen.
Der Indio antwortete in einem nicht sehr freundlichen Tonfall. Mila hörte zu. Der Dialekt war anders als der, den sie von den Gefangenen in Panama gelernt hatte, aber sie verstand ihn recht gut: » Ich bin Xatopu, Gebieter von Chan Chan.
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