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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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hier war. In Gedanken setzte sie hinzu, dass sie durch ihre Sprachkenntnisse ihren Nutzen für den Orden, im Gegensatz zum Kleinen Grafen, schon bewiesen hatte. Die Stimmen der Ritter schwirrten durcheinander. Mila hörte heraus, dass die wenigsten begeistert davon waren, den jüngeren von Wolfegg auf einem Drachen zu wissen, aber dass trotzdem kaum einer sein Anrecht darauf ernsthaft in Zweifel zog. Nur zwei Ritter widersprachen, aus ziemlich durchsichtigen Motiven: Es waren Waleran de Martel und der Flame de Lanois, die die beiden anderen Knappen in die Neue Welt geführt hatten. Selbst der Hochmeister widersetzte sich Balians drängender Forderung nicht, obwohl er, da war sich Mila sicher, nicht noch ein Mitglied aus der Sippe des Tresslers im Orden gebrauchen konnte, Tassilo und Balian machten ihm doch schon genug Schwierigkeiten. Wie gerne hätte sie ihm geholfen, das Unheil noch zu verhindern. Plötzlich jedoch dröhnte eine laute Stimme durch die eingestürzte Decke: » Habt ihr vergessen, ihr Ritter, dass da noch jemand ein gewichtiges Wort mitzureden hat?« Es war Marduk.
    Der Einspruch des Drachen ließ die Ritter verstummen. » Wir werden Nabu natürlich nicht übergehen«, erklärte der Hochmeister bedächtig.
    » Augenblick«, rief der Tressler, » seit wann mischen sich die Drachen in die Fragen der Ritterschaft ein?«
    » Schon immer, Tassilo«, dröhnte die Antwort vom Dach. » Wir haben es nur in letzter Zeit nicht mehr so oft getan.«
    » In letzter Zeit?«, brummte der Tressler. » Wenigstens hundert Jahre, wenn ich mich nicht irre.«
    Mila verstand nicht genau, worum es ging, und sie spürte, dass auch manch einer der anderen Ritter in der Kammer ratlos war.
    Der Conte di Collalto räusperte sich und erklärte: » Den Drachen ist das Recht verbrieft, bei der Auswahl der Kandidaten mitzusprechen, ein Recht, auf das sie sehr lange verzichtet haben.«
    » Nicht verzichtet, Lorenzo, nur ausgeübt haben wir es lange nicht«, verkündete der Drache, » und Nabu hat mich gebeten, euch daran zu erinnern.«
    Für eine Weile herrschte verwirrtes Schweigen im Saal, dann rief Balian: » Aber ich beharre darauf, dass mein Bruder ihm als erster und bester der Kandidaten vorgestellt wird!«
    » Wenn Nabu sein Recht einfordert, können wir uns seinem Wunsch nicht widersetzen, Balian«, mahnte di Collalto.
    » Drachenrechte«, schnaubte Balian ungehalten.
    » Beruhigt Euch, Balian«, meinte der Hochmeister begütigend. » Wir werden ihm Euren Bruder vorschlagen, als Ersten sogar, nicht mehr, aber auch nicht weniger.«
    » Aber nicht als Einzigen!«, rief de Lanois, und de Martel stimmte ihm sofort zu.
    Mila kannte die Statuten des Ordens nicht besonders gut. Für sie war es ein trockener Wust verstaubter Regeln aus längst vergangenen Jahrhunderten. Wenn ihr Vater früher angefangen hatte, davon zu erzählen, hatte sie meist unter einem Vorwand das Weite gesucht. Sie erinnerte sich daher nur vage daran, wie ihr Vater erwähnt hatte, dass ein Drache einen vom Orden ausgewählten Reiter theoretisch auch ablehnen konnte. War es das, was Balian fürchtete? Konrad von Wolfegg war sicher kein Ausbund ritterlicher Tugend, sie hielt ihn sogar für einen unreifen, verzogenen Knaben, aber das waren die anderen Kandidaten auch. Gab es einen besseren unter Pizarros Männern? War ihr Großonkel für die baldige Wahl, weil er fürchtete, Nabu würde einen der Konquistadoren wählen? Es gab einige Hidalgos und Caballeros unter ihnen, wenn auch meist gerade erst von Kaiser Karl in den Adelsstand erhoben. Nun, wer konnte wissen, was in einem Drachen vorging? Die Versammlung legte schließlich fest, dass der neue Reiter des Drachensattels in der Morgendämmerung bestimmt werden sollte, unter genauer Befolgung der Statuten des Ordens der Drachenritter vom Heiligen Kreuz, das war dem Tressler wichtig. Den Schildknappen wurde empfohlen, die Nacht im Gebet zu verbringen, während die Ritter übereinkamen, ihren Bruder Rodrigo noch vor dem Morgengrauen heimlich, aber mit Würde zu bestatten. Kaum war das geregelt, als einer der Waffenknechte die große Kammer betrat und meldete, dass sich ein Abgesandter der Eingeborenen vor der Mauer des Viertels eingefunden habe.
    » Ah, endlich!«, rief der Hochmeister. » Hat er gesagt, was er will?«
    Mila hörte, dass sich der Waffenknecht am Kopf kratzte, als er antwortete: » Der alte Heinrich, der ein wenig von ihrer Sprache versteht, sagt, dass sie mit den Göttern sprechen wollen.«
    Kemaq

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