Drachensturm
Seid ihr Diener jener Götter, denen es gefiel, unsere friedliche Stadt anzugreifen, und die nun unsere Mauern bewachen? Niemanden lassen sie vor die Stadt, und die Früchte verderben auf den Feldern.«
Fray Celso brauchte etwas länger, um zu übersetzen, und er verwechselte friedlich mit freundlich, wie Mila mit leichter Missbilligung feststellte.
» Sagt ihm, dass wir Diener des Kaisers sind, des mächtigsten Herrn der Welt, der wiederum ein Diener des einen und einzigen Gottes ist«, erwiderte der Hochmeister. Und während der Geistliche noch übersetzte, fügte er hinzu: » Sagt ihm weiter, dass wir in friedlicher Absicht in diese Stadt kamen, doch die Wachen uns mit Pfeilen angriffen, als wir uns näherten.«
Mila hielt das für eine glatte Verdrehung der Tatsachen, aber der Fray übersetzte auch das. » Wie kann es nur einen Gott geben, wenn ich doch hier gleich mehrere sehe?«, fragte der Curaca. » Oder ist einer von ihnen jener, den ihr Kaiser nennt?«
» Blasphemie!«, zischte Graf Tassilo, und das übersetzte Fray Celso nicht.
Der Hochmeister zögerte mit einer Antwort. Mila kannte ihn gut genug, um zu ahnen, dass es unter seiner Würde war, den Indio anzulügen, auch wenn er den Vorteil, den dieser Irrglauben bot, natürlich ermessen konnte.
Der listige Conte di Collalto fand eine Lösung für das Dilemma: » Sagt ihm, dass wir und die Drachen vom selben Gott beschützt werden, und dass unser Gott auch ihm seinen Schutz anbietet, wenn er den falschen Göttern abschwört.«
Hier unterlief dem Fray ein Lapsus, denn er verwechselte Einzahl und Mehrzahl, und der Curaca fragte nach, ob denn der falsche Gott, von dem der Fray gesprochen hatte, jener sei, den sie anbeteten, und da der Mönch, der merkte, dass etwas schieflief, aus der Frage versehentlich eine Feststellung machte, fuhren einige Christenhände zu den Schwertern. Mila hielt es nicht mehr aus: » Es ist falsch übersetzt!«, rief sie.
Sie konnte es natürlich nicht sehen, aber sie spürte, dass sich alle Blicke auf sie richteten, und errötete. » Er hat nur gefragt, weil Fray Celso die Worte für Götter und Gott verwechselte«, rief sie.
» Heilige Mutter Gottes, es stimmt!«, rief der Mönch entsetzt.
» Ist sie die Gebieterin dieser Männer?«, fragte der Curaca.
Der Fray übersetzte stotternd.
» Wie kommst du darauf, edler Curaca?«, fragte Mila auf Quechua, so verblüfft, dass sie den Mönch ganz einfach überging.
» Du trägst die Borla, wie der Sapay Inka«, lautete die Antwort.
» Ich denke, er meint Eure weiße Augenbinde, Condesa«, erklärte der Fray, » jedenfalls weist seine Geste darauf hin.«
Mila verschlug es kurz die Sprache, während ein paar der Ritter, als der Fray die Annahme des Indios übersetzte, leise lachten. Der Mönch riss sich zusammen und erklärte dem Curaca, dass der Hochmeister ihr Anführer sei.
» Gebietet er auch über die Götter?«, lautete die nächste Frage.
» Sag ihm ruhig, dass wir Drachen unser eigenes Oberhaupt haben«, meldete sich plötzlich die leise, aber eindringliche Stimme Nergals zu Wort. Die Stimme kam von oben, und instinktiv drehte Mila sich um. Der Drache des Tresslers hatte sich vom Dach eines der großen Gebäude, die den Platz säumten, zu Wort gemeldet. Marduk zischte missbilligend.
Falls der Curaca beeindruckt war, ließ er es sich nicht anmerken. Er fragte nach, was der Gott gesagt habe.
» Sagt ihm«, rief di Collalto schnell, » der Gott habe gefragt, ob uns der Curaca die Ehre erweisen würde, heute Abend auf diesem Platz mit uns zu speisen.« Der Fray gehorchte, aber er brachte es wohl nicht über sich, Nergal einen Gott zu nennen, und verwendete stattdessen das griechische Drakon.
» Haltet Ihr das für klug, Lorenzo?«, fragte der Hochmeister leise. » Wir haben doch nur wenig, was wir ihm anbieten können.«
» Ihr habt Recht, Maximilian«, meinte di Collalto und fuhr fort: » Natürlich sind wir auch gerne bereit, seine Gastfreundschaft zu akzeptieren und uns von ihm bewirten zu lassen, wie es überall auf der Welt Brauch ist. Einzige Bedingung ist, dass dieses Festmahl hier stattfindet.«
Der Indio schwieg eine Weile. Dann sagte er ganz ruhig: » Ihr seid seltsame Menschen, dass ihr meine Stadt überfallt und dann auf das Gastrecht pocht. Ihr seid wohl mächtiger als wir, denn ihr habt Götter an eurer Seite, und so kann ich nicht anders, als anzuerkennen, dass die Häuser innerhalb dieser Mauern nun euch gehören, und wir werden nicht versuchen, sie
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