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Drachensturm

Titel: Drachensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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vielleicht war er doch nur ein Werkzeug, ein Mittel zum Zweck, weil sie selbst den heiligen Grund des Tempels nicht betreten durfte. Und wie war sie überhaupt auf die andere Seite des Berges gekommen? Kemaq biss sich auf die Lippen. Sie war eine Zauberin, daran gab es nun keine Zweifel mehr. War sie nicht auch wie aus dem Nichts erschienen, als er gefangen gewesen war? Und war sie nicht ebenso wieder im Nichts verschwunden? Kemaq hinkte schneller voran, als könne er so die Zweifel abschütteln. Es war dunkel geworden, und es gab hier keine Straße, keinen Pfad, nur einen langen Hang, eine Wiese, durchsetzt mit stachligen Sträuchern und fremdartigen Büschen und Bäumen, und einen Bach, der ihn hinunterführte in den Dschungel. Er musste auf den Weg achten, und das war gut, denn es verdrängte die nagenden Zweifel wenigstens für eine Weile. Was Pitumi mit dem Regenstein vorhatte, darüber konnte er sich immer noch Gedanken machen, wenn er ihn erst einmal in der Hand hielt. Und je eher das geschah, desto besser. Also zwang Kemaq seine müden und geschundenen Beine, noch ein wenig schneller zu laufen.

    Die Wolken wanderten langsam den Hang hinab und versteckten die Konquistadoren vor den Drachen – fast sah es aus, als wollten sie sie beschützen. Mila versuchte, irgendetwas zu erkennen, aber das Flammenbild zeigte ihr nur hellen Nebel, Berge, die immer weiter zurücktraten, und dann eine endlose, dunkel flackernde Fläche, die, wie sie wusste, der Urwald war. Manchmal schimmerte etwas heller, aber wenn sie hinflogen, dann fanden sie nur heraus, dass es ein Bach, ein Fluss oder einmal ein See war. Nichts in diesem schwarzen Dickicht zu ihren Füßen wies darauf hin, dass es dort einen Tempel gab – keine Mauer, kein Feuer, keine Straße verriet, dass dort unten auch nur irgendwo menschliches Leben existierte.
    Dann, als sie schon eine ganze Weile fruchtlos über dem Dschungel gekreist waren, kam Don Alfonso auf Kemosch herangeflogen. » Wir haben etwas entdeckt«, rief er. » Eine Siedlung auf einem der Berge.«
    » Wir wurden vor diesen Bergen gewarnt«, rief Mila zurück. Sie dachte an das, was Schamasch und Sir William widerfahren war.
    » Ich will sie mir dennoch näher ansehen, sie ist auf jenem Berg dort drüben. Kommt Ihr mit, Condesa?«
    » Nach allem, was ich in Tanyamarka gehört habe, liegt der Tempel irgendwo in diesem Dschungel, nicht auf einem Berg«, erwiderte Mila.
    » Nun komm schon«, brummte Nabu.
    Mila seufzte, und dann winkte sie Don Alfonso zu, als Zeichen, dass sie ihm folgen würden.
    Der Berg war bei weitem nicht so hoch wie die Bergriesen des Hochlandes, die die Drachen kaum hatten überqueren können. Die Sichel des Mondes war inzwischen aufgegangen, und in ihrem Licht zeigte sich im Flammenbild vor Milas Augen eine helle Linie auf der Bergkuppe. Sie flogen näher heran. Feuer oder Licht gab es dort oben nicht, aber sie erkannte dicke Mauern, die von Buschwerk und Bäumen überwachsen waren.
    » Diese Siedlung ist lange verlassen«, meinte Nabu.
    » Das glaube ich auch«, sagte Mila. » Siehst du irgendetwas, das nach einem Tempel aussieht?«
    » Ich sehe nur vieles, das nach einer Ruine aussieht, Prinzessin, aber natürlich mag das eine oder andere davon einst ein Tempel gewesen sein.«
    » Sollen wir landen?«, rief Don Alfonso.
    Mila überlegte. Sie waren lange unterwegs, und sie merkte Nabu inzwischen an, wie müde er war. Auch bereitete ihm seine Wunde Schmerzen, was er natürlich zu verbergen versuchte. Sie rief zu Don Alfonso hinüber: » Ruft die anderen. Wir sollten für ein paar Stunden hier rasten.«
    » Aber wir haben den Tempel noch nicht gefunden«, rief der Andalusier zurück.
    » Vielleicht haben wir bei Morgengrauen mehr Glück, Don Alfonso.«
    » Vielleicht«, rief der Ritter, und dann bat er seinen Drachen, nach Norden zu fliegen. Kemosch folgte diesem Wunsch mit einem unzufriedenen Knurren.
    » Dann willst du also hier landen?«, fragte Nabu, als sie allein waren, und er klang skeptisch.
    » Wir müssen nachdenken und unsere Kräfte sammeln, Nabu. Und dieser Berg liegt am Rande des Dschungels, der den Tempel vor uns verbirgt. Ich bin sicher, bei Morgengrauen werden wir ihn finden.«
    » Gut, dann werde ich jetzt herausfinden, ob diese alten Mauern uns tragen«, brummte Nabu, » sehr vertrauenerweckend sehen sie nämlich nicht aus, Prinzessin.«
    Mila versuchte, in dem Flammenbild etwas zu erkennen. Außer einem Gewirr von Steinen sah sie nicht viel. Aber sie spürte

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