Drachensturm
nicht die Götter? Kemaq bedauerte, dass er nicht mehr von diesem Bewaffneten erkennen konnte. Er sah sich um. Auch in diesem Haus waren die Mauern zu hoch, es gab auch keine Fenster. Dann dachte er, dass es vielleicht ein Lagerhaus sein könnte, denn nichts deutete darauf hin, dass es je von Menschen bewohnt gewesen war. Er trat vorsichtig hinaus und stellte sich auf die Zehenspitzen, aber der Fremde blieb ihm bis auf seine furchterregende Axtlanze und seinen Helm verborgen. Kemaq lief weiter. Endlich erreichte er die Rückseite des Mondtempels. Kemaq zählte sieben fensterlose Stockwerke, die in Stufen steil anstiegen. Ihm wurde mit Schrecken klar, dass sich die Treppe nach oben auf der Vorderseite befand. Aber dort konnte er nicht hinein – denn damit lag sie gut sichtbar an dem Platz, auf dem die Götter in der Sonne ruhten. Und während Kemaq noch überlegte, was er machen sollte, hörte er über sich ein Geräusch wie von schwerem Leder. Er blickte nach oben.
Mila hatte gehofft, Fray Celso würde sie in ihrer Meinungsverschiedenheit mit ihrem Großonkel unterstützen, aber der Augustinermönch stellte sich auf die Seite des Hochmeisters: » Ein Jegliches hat seine Stunde, Condesa, ein Jegliches hat seine Zeit. Es mag Zeiten geben, da es geboten ist, die Stimme zu erheben, aber mir scheint, Graf Maximilian hat in diesem Fall Recht – es war nicht sehr weise, wegen Eurer Beobachtungen einen Streit mit dem Tressler zu beginnen.«
» Aber ich habe doch keinen Streit begonnen, ich habe lediglich den Meistern unseres Ordens gesagt, was ich gehört habe!«
» Jedoch zur falschen Stunde, wie ich hörte, denn sie waren gerade in einer Besprechung, nicht wahr?«
Mila murmelte eine Bestätigung.
» Seht Ihr?«, meinte der Mönch. » Hättet Ihr nur ein wenig gewartet, wärt Ihr sicher willkommen gewesen. Aber ich gebe zu, dass es nobel von Euch war, Junker Konrad beizuspringen, weiß ich doch, dass Ihr Euch nicht sehr gut mit ihm versteht.«
Mila schwieg. Sie hatte sich ganz bestimmt nicht Konrad zuliebe zu Wort gemeldet.
» Nun«, fuhr der Mönch fort, » ich hatte die Ehre, den drei Schildknappen die Beichte abzunehmen. Ihre Seele sollte rein sein, denn morgen ist ein großer Tag für sie. Es hat sie nicht sehr begeistert, die Zeit bis dahin mit Beten und Fasten verbringen zu müssen. Aber was soll ich sagen? Es sind junge Menschen, und die Einsicht in die Notwendigkeit solchen Tuns ist ihnen noch nicht gegeben. Und ihre Streiche – nun, sie sind wohl für jeden Beichtvater eine echte Prüfung.« Mila war gar nicht bewusst gewesen, dass auch er unter ihrem Übermut zu leiden hatte. Der Fray seufzte, dann sagte er: » Wenn Konrad wirklich zum Drachenritter erhoben wird, dann werden auch diese kindischen Streiche vermutlich ein Ende haben, Condesa. Das ist doch auch etwas, oder?«
Mila war da nicht ganz so hoffnungsvoll. Zwei von dreien würden nicht zum Ritter erhoben werden. Und würde Konrad seine Boshaftigkeit verlieren, nur weil er plötzlich einen Drachen reiten durfte? » Sagt, Vater, wisst Ihr, was es mit dieser Wahl auf sich hat? Ich habe bisher angenommen, die Drachen würden den Ritter tragen, den ihnen der Orden zuweist.«
» Dass sie den Knappen nahmen, den man ihnen zuwies, würde ich nicht behaupten, jedenfalls nicht gegenüber einem Drachen. Sie haben ihren Stolz, wie Ihr sicher wisst. Es scheint aber, dass es sich in den letzten hundert Jahren oder auch länger so zutrug, dass der Drache den Ritter annahm, den der Orden ihm empfahl. So hat es mir der Conte di Collalto erzählt, der die Gesetze und die Geschichte des Ordens kennt wie kein Zweiter. Der Conte vermutet, dies sei aus einer gewissen Gleichgültigkeit der Drachen heraus geschehen, denn sie sind alt und haben schon viele Ritter kommen und gehen sehen. Ich möchte aber lieber glauben, dass sie sich entschlossen haben, auf die Weisheit so frommer Christenmenschen zu vertrauen, wie es die Meister dieses Ordens zweifelsohne sind.« Er schwieg, vielleicht hatte er den Faden verloren.
» Und vor diesen hundert oder mehr Jahren?«, fragte Mila ungeduldig.
» Ach, es scheint, dass die Drachen früher selbst bestimmt haben, wen sie auf ihren Rücken ließen. Der Conte erklärte mir, dass es zu dem gehört, was sie ihre unveräußerlichen Rechte nennen. Ihr wisst ja vielleicht, Condesa, dass sie immer noch selbst entscheiden, ob sie in eine Schlacht ziehen oder nicht, so merkwürdig das auch klingen mag.«
» Der heilige Georg war
Weitere Kostenlose Bücher