Drachensturm
Lederschnüre von der Wand, setzte sich auf die Schwelle der Hütte und begann mit flinken Fingern, sie zu verknoten. Immer noch wehte der Morgenwind fremde Stimmen vom Platz herauf.
Kemaq schaute gebannt zu, aber Misqi hielt plötzlich inne. » Es geht leichter, wenn du mir nicht auf die Finger schaust, Chaski.«
Kemaq seufzte. » Wie lange wird es denn dauern, Misqi? Sieh, ich bin in Eile, denn Huaxamac, der Hohepriester, hat gedroht, mich und meinen Bruder zu töten, wenn ich nicht bis zum Einbruch der Nacht zurück sein sollte.«
» Ich bin leider geübter im Lesen als im Knüpfen, Chaski, und wie ich schon sagte, es geht schneller, wenn du mich nicht störst.«
Sie bot ihm an, im geheimen Gang zu warten, aber das wollte Kemaq nicht. Er spähte in den wolkenlosen Himmel. Es war kein Gott zu entdecken. Seine Neugier kehrte zurück. » Ich will sehen, was dort unten geschieht«, sagte er.
Misqi starrte ihn an. » Das ist gefährlich«, sagte sie.
» Ich bin vorsichtig«, behauptete Kemaq und lief hinaus auf die Terrasse, bevor Misqi weitere Einwände erheben konnte.
Nabu war endlich doch noch gekommen. Er hatte in langsamen Schleifen seine Kreise gedreht, war in der Mitte des Platzes gelandet und hatte sich dort ohne einen Laut niedergelassen. Mila spürte seine Anwesenheit, sie hätte die Beschreibung Don Mancebos gar nicht gebraucht, ganz im Gegenteil, sie erwies sich als schädlich, denn als der Maure mit ihr sprach, verflog das Gefühl – und es kehrte nicht zurück. Während Fray Celso ein langes Gebet aufsagte, fragte sie sich, ob sie vielleicht nur geträumt hatte. Das Gefühl war so unwirklich gewesen – und jetzt war es fort. Sie spürte den Verlust, es war beinahe schmerzhaft. Der Fray segnete die anwesenden Männer und Drachen, bevor endlich die eigentliche Zeremonie begann. Mila war immer noch verwirrt und hatte Schwierigkeiten, ihr zu folgen. Schließlich schüttelte sie innerlich den Kopf und beschloss, nicht mehr auf irgendwelche seltsamen Gefühle zu achten. Ein neuer Ritter wurde erhoben, das war ein bedeutender Moment, der ihre volle Aufmerksamkeit verdiente. Es war di Collalto, der Marschall, der gerade sprach. Er erwähnte noch einmal Don Rodrigos Verdienste um den Orden, seine herausragende Tapferkeit in der Schlacht von Pavia, seinen Mut beim Angriff auf diese Stadt. » Doch nun ist er nicht mehr unter uns, und der Sattel seines Drachengefährten ist verwaist. Wir sind hier, um mit Gottes Hilfe einen neuen, würdigen Ritter zu finden.«
Mila wagte kaum noch zu hoffen, dass ihr das Schlimmste – die Wahl Konrad von Wolfeggs – erspart bleiben würde. Zunächst wurde jedoch erneut ihre Geduld auf die Probe gestellt, denn Fray Celso ließ das Te Deum anstimmen. Danach war es an den Rittern, ihre Schützlinge vorzustellen. Wie zuvor abgesprochen, trat Balian von Wolfegg als Erster vor. Mila hörte, wie er seine gepanzerte Faust auf die Schulter seines jüngeren Bruders legte und mit dröhnender Stimme rief: » Hier steht Konrad von Wolfegg, der Erste unter den jungen Brüdern, bereit, reif und würdig, in den Sattel eines Drachen zu steigen. Und ich frage die Meister unseres Ordens, ob sie gewillt sind, dem ihre Zustimmung, ihren Segen und ihre Empfehlung zu geben.«
» Wir sind es«, lautete die dreifache Antwort. Dann fügte der Hochmeister hinzu: » Wir sind übereingekommen, ihn als den Ersten zu empfehlen, denn unbestritten ist sein Recht das älteste.« Mila bemerkte, dass sich unter den Drachen Unruhe verbreitete, aber der Hochmeister fügte hinzu: » Es ist unser Wunsch, kein Befehl, denn wir achten die Rechte der Drachen, und wir werden jede Wahl Nabus akzeptieren.«
Mila hörte ein beifälliges Brummen von den meisten Drachen. Nur Nergal schien abfällig zu zischen.
» Ist das so, ihr Ritter?«, fragte Marduk plötzlich. Seine volltönende Stimme füllte den ganzen Platz.
Mila begriff sofort, dass dieser Einwurf nicht zur Zeremonie gehörte. Sie bemerkte eine gewisse Verunsicherung unter den Rittern.
Aber dann schnarrte der Tressler ungeduldig: » Natürlich ist das so, Marduk, denn so wollen es die Gesetze des Ordens.«
» War diese Frage üblich, Don Mancebo?«, fragte Mila leise.
» Ich weiß es nicht, ich war noch nicht geboren, als ein Drache zum letzten Mal das Wahlrecht eingefordert hat, Condesa«, lautete die Antwort.
Jetzt war es an Robert de Lanois, seinen Schützling vorzustellen: » Hier steht Richard von Geldern, dessen Familie dem Orden schon viele gute
Weitere Kostenlose Bücher