Drachensturm
Reiten und Fechten unterrichtet wurdest, aber wie steht es mit der Armbrust? Sie ist die wichtigste Waffe eines Drachenritters. Oder glaubst du, dass dein Arm lang genug ist, deine Gegner mit dem Schwert oder gar deinem Stab zu bekämpfen?«
Mila schluckte. Dann sagte sie: » Ich denke, die stärkste Waffe eines Drachenritters ist sein Drache, Onkel.«
Maximilian von Friedberg seufzte. » Du bist klug, Mila. Umso weniger verstehe ich, dass du diese Wahl annehmen willst. Denke nur an deine Krankheit. Die Blindheit hat dich ereilt, aber du weißt doch, dass es dabei vielleicht nicht bleibt.«
» Ich weiß nur, dass die Krankheit nicht bei allen Rittern gleich verlaufen ist«, gab Mila etwas trotzig zurück.
» Das ist wohl wahr, Milena. Bei den einen beginnt sie mit einer Lähmung in den Gliedern, bei den anderen mit dem Verlust der Sehkraft oder des Gehörs. Ich habe die alten Akten studiert, Milena, und dort steht, dass es meist mit den Jahren schlimmer wird. Denk nur an deinen Vater!«
Mila schwieg. Ihr Vater, der einst so stolze Drachenritter, hatte schon seit Jahren kein Gefühl mehr in den Beinen, dann war er erblindet, und als sie aufgebrochen war, hatte ihm sein linker Arm nicht mehr gehorcht. Aber nie, nie hatte er um Mitleid oder falsche Rücksichtnahme gebeten, und nie hatte er seine Zeit als Drachenritter bereut.
Mila überlegte, ob sie ihrem Onkel von der bleichen Flamme erzählen sollte. Er hatte eigentlich ein Recht, es zu erfahren, und vielleicht würde er sie dann verstehen, andererseits wusste sie selbst noch nicht, was sie davon zu halten hatte, und sie spürte eine gewisse Scheu, darüber zu reden. Sie sagte: » Ich habe gute Gründe, wie auch Nabu seine Gründe gehabt haben wird, mich auszuwählen. Und ich denke, es ist nicht nur, weil die drei Knappen so wenig taugen, wie Graf Tassilo meinte.«
» Aber dir ist bewusst, dass es meine Position weiter schwächt, Mila?«
» Das verstehe ich nicht.«
» Der Orden macht schwere Zeiten durch, Mila, wie es mein Freund Tassilo schon sagte, und innerhalb seiner Ränge gibt es eine starke Strömung gegen meine Führung.«
» Aber du bist der Hochmeister!«, rief Mila.
Ihr Großonkel lachte traurig. » Ein ehrwürdiger Titel, einst mit großer Macht verbunden. Aber schon meine mächtigeren Vorgänger waren an die Weisungen des Großkapitels gebunden. Und auch ich darf mich mit diesen Männern herumschlagen, die in Augsburg sitzen und mich aus der Ferne mit weisen Ratschlägen versorgen. Das würdest du wissen, wenn du dich ein wenig mehr mit der Geschichte des Ordens befasst hättest, dem du angehörst, Mila.«
Mila schwieg betreten, sie hatte sich um solche Dinge nie gekümmert. Dass sie Schildmaid geworden war, war doch nur ein Winkelzug des Marschalls gewesen. » Sollte Johanna von Orleans wirklich Mitglied des Ordens werden?«, fragte sie.
» Wie? Ja. Es war ein törichter Versuch, sie auszuschalten, denn wäre sie ein Drachenritter geworden, hätten wir sie leicht vom französischen Hof fernhalten können. Sie hat abgelehnt, zu ihrem Unglück, und nun fällt der Fluch dieses fragwürdigen Winkelzugs auf uns zurück. Tassilo hat leider Recht: Pizarro und seine Leute werden uns auslachen.«
» Ich glaube, das werden sie nur tun, wenn ihr nicht zu euren Gesetzen steht, Onkel.«
Der Hochmeister schwieg, und Mila, die spürte, dass sie den richtigen Worten auf der Spur war, fuhr fort: » Ihr habt Zweifel an der Weisheit von Nabus Entscheidung, und ja, sie ist ungewöhnlich, aber wäre es nicht ein Zeichen von Stärke, gar nicht zu beachten, was die Konquistadoren oder andere Menschen davon halten? Dies ist der Orden der Drachenritter vom Heiligen Kreuz, uralt und nur dem Kaiser unterstellt, das hast du oft genug selbst gesagt. Wenn ihr aber eure eigenen Gesetze nicht achtet – warum sollten es dann andere tun? Du sagst, es bringt dich in Schwierigkeiten, wenn du eine Blinde zu einem Ritter machst, und sprichst vom Großkapitel in Augsburg. Aber das ist weit weg, und würde es dich nicht viel mehr in Schwierigkeiten bringen, wenn du gegen die Drachen entschiedest? Sie sind die Basis eurer Macht, und sie sind hier – und nicht in Augsburg.«
» Wahrhaftig«, murmelte der Hochmeister, nachdem er lange geschwiegen hatte. Dann hörte Mila ein Lächeln in seiner Stimme, als er sagte: » Da muss ein blindes Mädchen kommen und mir die Augen öffnen. Ich glaube, ich bin schon so lange in diese endlosen Kämpfe und Streitereien mit dem Kapitel und
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