Drachensturm
den Kaiserlichen Räten verstrickt, dass ich anfange, die Dinge so wie sie zu sehen. Du hast Recht – ihre Zustimmung nützt uns gar nichts, wenn wir die Drachen gegen uns aufbringen. Nun, es ist beinahe Undenkbares geschehen, aber ja, das Recht und die Gesetze des Ordens sind auf deiner Seite, Mila, oder vielmehr auf unserer, denn ich werde mich deiner Berufung nun nicht mehr in den Weg stellen.«
Mila schwieg einen Augenblick. Sie war überwältigt, denn sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihr Großonkel so schnell – oder dass er überhaupt – nachgeben würde. » Und, was mache ich jetzt?«, fragte sie verlegen.
Der Hochmeister lachte. » Es ist üblich, dass der Gekürte den Bund mit dem Drachen durch einen gemeinsamen Flug besiegelt. Und dann werden wir dich wohl auf den Ritterschlag vorbereiten müssen.«
Langsam, sehr langsam, wurden die Kreise der fliegenden Götter größer, und irgendwann waren sie endlich vom Himmel über Kemaq verschwunden. Er war inzwischen völlig durchgefroren. Als er die Ankay Yayakuna nicht mehr sehen konnte und auch auf der Mauer keiner der Fremden mehr zu erblicken war, kroch er zitternd aus dem Graben und hastete zu der anderen Festungsmauer hinüber. Er spähte nach oben. Der Himmel war von wolkenlosem Blau, und kein dunkler Schatten zeigte sich. Vor ihm lagen die Maisfelder. Der Mais sah trocken aus, und niemand war da, um ihn zu wässern. Offenbar ließen die Fremden immer noch niemanden aus der Stadt, aus Gründen, die Kemaq nicht verstand, aber das schob er auf die Unergründlichkeit der Götter. Dann lief er los. Er nahm den Weg mitten durch den Mais, denn der würde ihn zur Not verbergen. Der verfallene Stufentempel tauchte vor ihm auf, und er mied ihn, denn er fand, dass er eine Unglück verheißende Ausstrahlung hatte. Sein Blick ging immer wieder nach oben, aber der Himmel blieb leer. Als die Mauern der Festungen weit genug hinter ihm lagen, verließ er die Deckung der Felder und lief über das offene Land zum Fluss hinüber. Er durchquerte ihn, hielt sich nah am Ufer, an dem Bäume Schatten und Schutz spendeten, und hastete weiter. Er erreichte bald die Stelle, an der er Pitumi verlassen hatte, aber er konnte sie nicht sehen. Er rief leise nach ihr, ohne Antwort zu erhalten. Unter einem der Bäume war der Kuka-Brei versteckt, aber diese Bäume sahen jetzt irgendwie alle gleich aus.
» Hast du deinen Weg verloren, Chaski?«, fragte die Stimme der Heilerin aus dem Unterholz.
» Pitumi!«, rief Kemaq erleichtert.
Die Chachapoya trat hinter einigen Büschen hervor. » Hast du deinen Auftrag erledigen können?«, fragte sie.
» Ja, und ich habe Nachrichten aus Chan Chan, die ich nun zurücktragen muss. Wo sind die beiden anderen Läufer?«
» Ich habe ihnen etwas weiter oberhalb ein Dach aus Schilf gebaut. Sie werden wohl kaum mit dir kommen können.«
Kemaq schwieg betroffen, nahm er doch an, dass ihre Befehle ganz ähnlich wie die seinen waren. » Vielleicht verschont der Hohepriester ihr Leben, wenn ich rechtzeitig zurückkehre«, sagte er.
» Glaubst du?«, fragte die Chachapoya ernst.
» Ich werde ihn darum bitten«, entgegnete Kemaq, aber er wusste, dass die Priester Intis nur selten auf Bitten aus dem Volk zu hören pflegten.
Pitumi führte ihn zum Versteck des Kuka-Breis, und er erkannte beschämt, dass er eigentlich schon davor gestanden hatte, aber weitergegangen war. Außer dem Brei zog sie zu Kemaqs Überraschung noch einige Maisbrotfladen aus dem Versteck. » Ich habe sie heute Nacht für dich gemacht, denn ich war mir nicht sicher, ob du etwas zu essen bekommen würdest.«
Hastig stopfte Kemaq die Paste mit etwas Brot in sich hinein. Er war wirklich völlig ausgehungert und hatte noch einen weiten und anstrengenden Weg vor sich. » Kannst du mir erzählen, was du gesehen hast, Chaski?«, fragte Pitumi.
» Die Mondfestung ist in der Hand der Fremden«, stieß Kemaq kauend hervor. » Und es gibt da eine Frau mit goldenen Haaren. Sie trägt eine Borla. Sie scheint eine Fürstin zu sein. Und die Ankay Yayakuna nennen sie Drachen, kennst du dieses Wort?«
Pitumi wiederholte es nachdenklich. » Nein, ich habe es noch nie gehört«, sagte sie schließlich, » und auch wenn du mich so erwartungsvoll anschaust, ich kann dir nicht sagen, was es bedeutet. Ich würde dich bitten, mir mehr zu erzählen, doch du hast noch einen weiten Weg vor dir, Chaski.«
Plötzlich teilte sich das Schilf, und der Chimú-Läufer wankte hervor. » Ihm gibst du Kuka –
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