Drachensturm
und mir nur Brot?«, stieß er mit stierem Blick hervor. Er sah furchtbar aus, bleich, das Gesicht völlig verzerrt, und er zitterte am ganzen Leib. Kemaq erkannte die Anzeichen eines Hitzschlages. Ganz offensichtlich konnte er sich kaum noch auf den Beinen halten.
Die Heilerin sah den Chimú kalt an: » Du bist ein Räuber und Verräter, denn du bist einem Bruder in den Rücken gefallen. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich dich draußen in der Wüste sterben lassen, aber dieser Chaski bat mich, dich zu retten.«
Der Chimú starrte Kemaq an, dann trübte sich sein Blick, und er sackte lautlos zusammen.
» Die Hitze hätte ihn fast umgebracht«, sagte die Chachapoya. » Nicht, dass es einen großen Unterschied macht, denn wenn er je nach Tikalaq zurückkehrt, wird Intis Priester ihn töten lassen, gleich, ob du für ihn bittest oder nicht. Der Schatten des Todes liegt bereits auf diesem Mann, und ich bezweifle, dass er ihm entkommen kann.«
Kemaq blickte betroffen auf den Körper des anderen Läufers, der jetzt von Krämpfen geschüttelt wurde. » Kümmerst du dich um ihn?«, fragte er.
Pitumi zuckte mit den Achseln. » Vielleicht, wenn ich die Zeit dazu finde. Doch nun solltest du endlich aufbrechen, Chaski.«
» Ich kann dir helfen, ihn ins Schilf zu bringen.«
Die Heilerin wehrte lachend ab: » Das schaffe ich schon noch allein. Hast du, was du für den langen Lauf brauchst?«
Kemaq nickte und verstaute das Brot in einem Beutel, den Pitumi ihm gegeben hatte. Er sah aus wie jener, den der Yunga-Läufer getragen hatte, aber Kemaq fragte nicht danach. Er spülte das Brot mit einem Schluck Wasser hinunter, füllte die Flasche hastig auf und trat wieder auf die Straße. Die Kuka-Paste begann zu wirken. Die Anden ragten jenseits der Wüste steil auf. Er fühlte sich stark genug, es mit ihnen aufzunehmen.
» Sieh immer wieder nach oben, Chaski. Es sind gefährliche Götter in der Luft, und du weißt, was sie mit den anderen Läufern gemacht haben.«
Kemaq nickte grimmig. » Ich danke dir, Heilerin, und ich hoffe, wir sehen uns wieder«, sagte er.
» Wenn es Tamachoc gefällt, wird es geschehen«, erwiderte sie.
Kemaq überprüfte die Riemen seiner Schuhe. Es war ein weiter Weg, und der Himmel über ihm war in der Hand des Feindes. Er blickte nach oben. Die Sonne stand schon hoch, fast im Mittag, und sie machte es schwer, zu erkennen, ob dort oben tödliche Schatten kreisten oder nicht. Kemaq lief los. Er hatte viel Zeit verloren. Er blickte noch einmal zurück. Pitumi war schon wieder im Schilf verschwunden.
» Ich habe mich schon gefragt, ob ich mich in dir getäuscht haben sollte«, sagte Nabu.
Der Drache hatte sich in die Schatten hinter dem Palast zurückgezogen. Don Mancebo war so freundlich gewesen, Mila zu ihm zu geleiten. Doch dann hatte auch der Maure sie verlassen, und nun stand sie ihrem Drachengefährten allein gegenüber.
» Vielleicht hast du das«, antwortete Mila, denn ihre Selbstsicherheit war verflogen. Sie hörte die tiefen Atemzüge des Drachen, roch ihn, hörte, wenn er die Flügel bewegte und den Kopf hob, aber sie sah weder ihn noch die blasse Flamme.
» Du bist hier«, stellte Nabu fest.
» Du bist ja schon für den Flug gerüstet!«, rief Mila überrascht, denn Nabu hatte sich gestreckt, und sie hörte das lederne Geschirr knarren.
» Don Mancebo war so freundlich. Ich bin aber sicher, dass du schnell lernen wirst, das selbst zu tun, Mila.«
Sie seufzte. » Ich bin eigentlich nur unter Vorbehalt deine Menschengefährtin«, sagte sie jetzt.
Der Drache schnaubte. » Vorbehalt? Was soll das heißen?«
» Balian von Wolfegg will das Generalkapitel anrufen, um deine Entscheidung anzufechten.«
» Balian? Nicht Tassilo? Es überrascht mich, dass der Ritter diesen Weg geht. Er ist doch eher ein Mann der Faust, nicht des Geistes.«
» Du bist darüber nicht verärgert, Nabu?«
» Doch, natürlich, aber eigentlich habe ich damit gerechnet, dass Tassilos Sippe dir Ärger machen wird. Haben sie dir sehr zugesetzt, Prinzessin?«
» Comtesse«, berichtigte Mila automatisch. » Es geht«, log sie dann.
Natürlich war der Tressler außer sich geraten, als der Hochmeister seine Entscheidung verkündet hatte, ebenso Balian, der mit dumpfer Wut die gepanzerte Faust in die Wand gerammt hatte, so dass einige Lehmziegel zerbrochen waren.
» Und Waleran de Martel und Robert de Lanois?«, fragte der Drache nach.
» Ich glaube, die beiden haben sich für ihre Knappen keine ernsthaften
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