Drachentau
Tarnzauber, nichts Großes, verliert nach ein paar Stunden seine Wirkung, denn in diesem Wald kann man nicht wissen, wer vorbeikommt.
Zufrieden flog er davon.
Als sie erwachte, war der Nachmittag schon fortgeschritten. Schnell stand sie auf, packte ihre Sachen und ging zurück zum Pfad. Am Wegrand plätscherte ein kleiner Bach, sie füllte ihre Wasserflasche auf, schnallte den Rucksack auf den Rücken und blickte sich um. Musste sie jetzt rechts oder links gehen? Natürlich, rechts! Mit schnellen Schritten lief sie den Pfad entlang, damit sie noch vor der Dunkelheit nach Hause kam. Der Wald war nicht mehr ganz so unheimlich, seit sie wusste, dass Elfen und Waldfeen hier wohnten.
Die Dämmerung kam. Der Weg führte weiter und weiter, bis er abrupt zu Ende war.
Mist,
dachte Rosa,
es ist doch die andere Richtung. Wie soll ich im Dunkeln nach Hause finden?
Sie eilte den Weg wieder zurück, aber die Dunkelheit holte sie ein und sie konnte beim besten Willen nichts mehr erkennen. Sie blieb stehen. Musste sie etwa die Nacht in diesem furchtbaren Wald verbringen? Die Anwesenheit von Blumenelfen beruhigte jetzt auch nicht mehr. Rosa setzte sich hin und holte ihre kleine Lampe heraus. Aber das Licht lockte unzählige Augenpaare hervor, die alle auf sie starrten. Schnell blies Rosa das Licht wieder aus. Ihr Herz raste. Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie wagte nicht, sich zu bewegen. Irgendetwas berührte ihr Gesicht und brachte sie fast um den Verstand.
Doch bevor sie völlig verzweifelte sah sie in der Ferne, oder war es nah, einen kleinen Lichtpunkt. Er kam langsam auf sie zu und ging wieder weg. Rosa schaute gebannt dorthin. Was war das? Eine Weile ging es so weiter, der Punkt kam näher und ging wieder weg. Rosa hielt den Atem an und dann begriff sie! Was immer es war, es forderte sie auf, ihr zu folgen. Sie überlegte nicht lange. Der Punkt entfernte sich wieder und sie ging hinterher. Er entfernte sich weiter und sie folgte. Wie lange sie so lief, konnte sie nicht mehr sagen. Zweige streiften ihre Arme, Fledermäuse flogen über sie hinweg und Nachtfalter flatterten um ihren Kopf herum. Rosas Augen klammerten sich ängstlich an den Lichtpunkt, darauf bedacht, ihn nicht zu verlieren. Dann wichen die Zweige von ihren Armen, der Weg wurde breiter und Rosa atmete auf. Sie wusste wieder, wo sie war. Eine Wolke gab das Mondlicht frei, der Waldausgang erschien im blassen Licht. Rosa ging direkt darauf zu. Sie hatte es geschafft.
»Danke, kleiner Lichtpunkt«, sagte sie laut, aber er war verschwunden. Sie sah nicht, wie der Nachtelf zum Abschied winkte.
Der Mittelweg, Gott sei Dank, sie war heil aus dem Wald herausgekommen. Eilig schritt sie zu ihrer Hütte. Ob die Eltern schon da waren? Als sie die Gartenpforte erreichte, blieb sie stehen. Da war es wieder, das Geräusch. Genau wie vor einem Jahr. Ein leiser Donner. Rosa schloss die Augen. Sie zitterte. Ihre Hände umklammerten das Holz.
Nein! Ich werde nicht zu ihm schauen!
Tumaros‘ Flügelschlag wirbelte ihre Haare auf. Ehe sie sich versah, hatte sie den Kopf zu ihm gedreht. Er kam direkt auf sie zu, mit seiner ganzen Größe, seiner ganzen Pracht. Sie konnte den Blick nicht mehr abwenden. Er schaute sie an. Sie schaute ihn an und ihre Blicke trafen sich. Aus seinen Augen kam ein blauer Lichtschein, traf auf ihre Augen und durchflutete von dort ihren ganzen Körper. Ein heller, bläulicher Schein umgab sie. Tumaros flog über sie hinweg und landete vor dem Waldeingang. Sie sahen sich an. Tief in sich hörte sie seine Stimme.
»Rosa!«
»Tumaros!«
»Komm zu mir, Rosa. Ich habe auf dich gewartet.«
Rosa hatte nicht mehr die Wahl, zu gehen oder zu bleiben. Ihre Beine setzten sich in Bewegung und gingen auf den Drachen zu. Er war majestätisch. Gewaltig. Unbesiegbar. In ihrem Herzen entflammte die Liebe zu ihm, die sie das ganze Jahr verborgen hatte. Sie lächelte. Ihr Herz schlug wild. In der Ferne, wie aus einer anderen Welt, hörte sie jemanden ihren Namen rufen. Sie ging weiter.
»Ich komme, Tumaros. Ich gehöre zu dir.«
»Ja, Rosa. Du gehörst mir!«
Jakob ging mit festem Schritt den Mittelweg hinunter. Verdammt war der Tag, an dem er erlaubt hatte, dass Rosa bei ihm blieb. Und verflucht noch mal, wo blieb nur Eschagunde. Emilia musste helfen. Sie verstand sich gut mit Rosa. Er betrat ihren Vorgarten, der von einer reichen Blumenpracht geschmückt war, und klopfte an ihre Tür.
Emilia staunte, als sie ihn sah. Das war seltener Besuch. »Jakob. Was führt
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