Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachentau

Drachentau

Titel: Drachentau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Roose
Vom Netzwerk:
hatte den Tisch bereitet und auf ihn gewartet. Sie setzten sich und aßen. Jakob sprach kein Wort. Emilia auch nicht.
    Schließlich stand Jakob auf. »Es dämmert bereits, ich bringe dich nach Hause.«
    »Ich kann allein gehen. Bleib du lieber in der Hütte.«
    »Nein, ich werde dich bringen.«
    Ihre Blicke trafen sich abermals und noch nie hatten ihre Blicke so viel gesagt wie an diesem Tag. Jakob nahm ihre Hand, der Eispanzer in ihm bekam einen Riss, und die äußerste Schicht begann zu schmelzen. Sie gingen schweigend den Mittelweg zu Emilias Hütte. Jakob verabschiedete sich mit einem Lächeln. Emilia schaute ihm noch lange nach.
    Vor seinen Kamin wartete er, verfluchte alles. Den Drachen. Das Dorf. Eschagunde. Rosa. Sich selbst. Wenn sie doch endlich käme. Dann schlug die Glocke. Jakob horchte auf.
Bitte nicht! Nicht heute!
Tumaros kannte kein Erbarmen. Sein Flügelschlag wurde lauter. Er flog wieder über die Hütte. Gebannt lauschte Jakob.
Flieg weiter! Flieg zurück in deine Höhle, verdammtes Scheusal!
Stille. Kreischende Stille.
    Tumaros war gelandet. Jakob begriff sofort. Eine eisige Hand umklammerte sein Herz. Vor sich sah er Walburga, schreiend, nach ihm rufend, und dann mit einem Happs in sein grausames Maul verschwindend.
Rosa!
Er sprang auf und taumelte nach draußen. Die Pforte stand offen. Er rannte auf den Mittelweg und blieb abrupt stehen. Da saß er! Der Drache! Funkelnd und gnadenlos blickte er in seine Richtung. Aber nicht zu Jakob. Rosa stand auf dem Weg, etwa 20 Meter von Tumaros entfernt.
    »Rosa! Rosa! Rosa!«, schrie Jakob hinter ihr her. »Kind, komm zurück!«
    Aber Rosa kam nicht zurück.
    Jakob konnte nur hilflos mit ansehen, wie sie zum Drachen ging.
Nein! Nein! Nein!
»Komm zurück!!!«, schrie er mit aller Kraft. Dann sank er auf seine Knie. Tränen liefen seine Wangen hinunter. Er verbarg sein Gesicht in seinen Händen, schluchzte hemmungslos.
    An diesem Tag hatte Tumaros sein Herz endgültig gebrochen.

Sternenlied
    Tumaros triumphierte! Da kam sie auf ihn zu, diese wunderschöne Bärin mit schwarz glänzendem Fell, jede ihrer Bewegungen ein Augenschmaus. Sein erster Schatz, den er nicht durch Mord und Brandschatzung erworben hatte, sondern mit Geduld und List. Oh, und es war so einfach gewesen. Jetzt gehörte sie ihm mit Haut und Haar und niemals würde er sie gehen lassen. Er stieß grunzende, schnaufende Laute aus, wie eine zufriedene Katze vorm Ofen. Rosa stand vor ihm. Sie blickten sich an. Für jedes andere Wesen hätte diese Nähe den sicheren Tod bedeutet. Für sie war es der sicherste Ort der Welt. Das Mondlicht brach sich in seinen Panzerjuwelen zu jeder denkbaren Farbe und zu solchen, die man noch nie gesehen hatte. Rosa ging ganz nah an ihn heran. Bebend berührte sie ihn, glitt mit ihren Fingern langsam über die Juwelen. Er war hart wie Stein, kantig wie Felsen.
    Tumaros beugte sich zu ihr hinunter. »Steig auf meinen Rücken. Wir fliegen nach Hause.«
    Nach Hause. Wie das klang. Sie blickte an ihm hoch. »Wie soll ich dort hinaufkommen, Tumaros? Du bist zu groß für mich.«
    Er legte sich flach auf den Boden. Aber selbst so war er noch zu gewaltig. Unmöglich für Rosa, dort hochzukommen. Sie schüttelte den Kopf.
    »Bitte sehr, die Dame, geht es vielleicht so?«, fragte Tumaros und streckte seinen linken Flügel aus, sodass er bis zum Boden reichte. Rosa versuchte es. Die Flügelhaut war rau und bot Halt zum Klettern. Schnell war sie auf seinem Rücken und fand in seinem Nacken einen Platz zum Sitzen. Ihr Herz schlug wild.
    »Werde ich auch nicht runterfallen?«
    Tumaros lächelte. »Ich werde dich niemals fallen lassen, Rosa. Bist du so weit, schöne Bärenfrau? Kann es losgehen?«
    »Ich bin soweit«, sagte Rosa und sofort stockte ihr Atem, als sich Tumaros mit einem Satz vom Boden abhob und mit wenigen Flügelschlägen mächtig an Höhe gewann. Der Wald unter ihr wurde kleiner und kleiner und sah aus wie ein schwarzes Meer, mit dessen Baumwipfeln das Mondlicht spielte. Ein scharfer Wind schlug ihr ins Gesicht und sie schlang die Arme um seinen riesigen Hals. Er flog sehr ruhig, glitt fast nur dahin. Sie wurde mutiger und setzte sich auf. Die Nacht verschluckte die Landschaft unter ihr. Aber das störte nicht. Sie fühlte sich frei wie noch nie in ihrem Leben. Der Wind wirbelte ihre Haare auf. Die Sterne kamen zum Greifen nah. Rosa blickte zu ihnen auf. Sie strahlten in nie gesehener Helligkeit, als wollten sie Rosa begrüßen. Dann drang eine Melodie an ihr

Weitere Kostenlose Bücher