Drachentau
sehr verletzt.«
Sie lächelte. »Nicht so sehr, dass ich aufhören konnte, dich zu lieben. Und jetzt lassen wir das. Wir können die Vergangenheit nicht ändern, nur unsere Zukunft gestalten. Und wir wissen nicht, wie viel Zukunft wir noch haben. Ich will jeden Augenblick mit dir genießen.«
Da stand Jakob auf, ging ein zweites Mal um den Tisch herum und sank vor Emilia auf die Knie. »Emilia, ich bin ein verschrobener, alter Bär. Ich habe mir lange die Liebe zu dir verboten. Aber jetzt weiß ich, dass ich ohne dich nicht einen einzigen Tag mehr leben kann. Willst du meine Frau werden?«
Emilia sank zu ihm auf die Knie. Sie strahlte, Freudentränen liefen aus ihren Augen. Sie bedeckte Jakobs Gesicht mit Küssen. »Ja. Ja. Ja. Ja. Tausendmal ja.«
Jakob erhob sich und zog Emilia auf ihre Beine. »Dann lass uns zu Mischa gehen. Er soll uns verheiraten. Jetzt sofort.«
Emilia schüttelte leicht den Kopf. »Plötzlich so eilig?«
»Ich werde sterben, wenn du nicht sofort meine Frau wirst.«
Emilia lachte laut. »Nein, Jakob, im Ernst. Ich möchte diesen Tag mit dir allein sein. Wir wissen nicht, wie lange er noch dauert. Jede Sekunde ist kostbar. Ich werde deine Frau, sobald wir wieder Luft zum Atmen haben.«
Jakob nickte. »Du hast recht. Und in meinem Herzen bist du meine Frau. Was meinst du? Wollen wir ins Grüne gehen? Ich für meinen Teil habe keine Lust, den ganzen Tag auf den Drachen zu warten. Irgendwie tue ich das schon mein ganzes Leben. Diesen Tag will ich mir nicht vermiesen lassen.«
»Ja, du hast recht. Wir können nicht wissen, wie dieser Tag zu Ende geht. Ich möchte auch die Zeit mit dir genießen. Das Gewitter kommt noch früh genug.«
Emilia packte einen Picknickkorb mit Honigbrötchen, Äpfeln und Wasser und gemeinsam machten sie sich auf den Weg, gingen am Waldrand entlang Richtung Süden zum Mühlenbach. Sie kamen zu einer kleinen Wiese. Die Nachmittagssonne schien wohlwollend auf sie herab, unter einer kleinen Gruppe von Ebereschen ließen sie sich nieder. Jakob breitete eine Decke aus. Dort legten sie sich dicht nebeneinander und schauten in die Wolken. In der Ferne sah man den einsamen Berg aus dem Finsterwald herausragen.
Emilia hielt Jakobs Hand fest und seufzte tief. »Mitten in der größten Bedrohung durch den Drachen, mitten in der größten Sorge um unsere Liebsten liegen wir hier und erleben unser größtes Glück. Es ist beinahe, als wollte das Schicksal uns verspotten.«
»Das Schicksal folgt keinen Regeln von Anstand und Fairness«, antwortete Jakob. »Dinge, die man nicht will, passieren und was man sich lange wünscht, trifft nicht ein. Albträume werden wahr und schöne Träume bleiben für immer nur geträumt. Umso mehr will ich diesen Augenblick genießen, denn wenn das Schicksal es gut mit dir meint, dann halte das Glück mit beiden Händen fest.«
»Meint es das Schicksal gut mit uns, Jakob?«
»Hast du Zweifel?«
»Ich habe Angst. Ich habe dich. Und wenn der Drache angreift, dann habe ich jetzt etwas zu verlieren. Solange es nur um mein Leben ging, war der Drache tief in mir keine Bedrohung. Aber jetzt habe ich Angst, dich zu verlieren. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich ohne dich weiterleben sollte.«
»Und das sagt die klügste und stärkste Frau, die ich kenne. Die Liebe macht uns verletzlich in den tiefsten Räumen unserer Seele. Dort, wo wir am meisten Schutz brauchen, müssen wir uns öffnen.«
Emilia drehte sich auf den Bauch und schaute Jakob in die Augen. »Aber wenn wir uns dort nicht öffnen, dann haben wir nie wirklich gelebt. Ist es nicht die Liebe, die uns stark macht?«
Jakob setzte sich auf und zog sie in seine Arme. »Meine Stärke und meine Liebe bist du, Emilia.«
Sie schmiegte sich an ihn und dachte, es fühlt sich so gut an.
Die Sonne beendete den Tag. Jakob und Emilia gingen nach Hause, setzten sich mit einer großen Tasse Tee vor den Kamin und schauten in das knisternde Feuer. Emilia lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Sie ließen einander in ihre Seelen schauen und staunten, wie vertraut sie waren. Als wären sie schon immer ein Paar. Der Abend verging und die Drachenglocke blieb stumm.
Um Mitternacht erhob sich Emilia und wollte ihren Mantel holen. »Ich glaube, es wird Zeit, dass du mich nach Hause bringst. Morgen früh komme ich wieder her.«
Jakob stand auf und nahm Emilia in den Arm. »Hier ist dein Zuhause, Emilia. Bleib heute Nacht bei mir.«
Emilia spürte ihr Herz schneller schlagen. Ein wohliger Wärmeschauer
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