Drachentau
mit einer kleinen, scharfen Spitze heraus. »Was immer passiert, bleib in der Hütte Emilia. Solange sie nicht brennt, bist du hier sicher.«
Emilia starrte auf den Speer. »Jakob, was hast du vor?«
»Ich habe eine Rechnung zu begleichen. Diesmal gewinnt dieses Monster nicht.«
Emilia griff Jakobs Arm und hielt ihn fest. »Tu das nicht. Bitte. Gehe nicht hinaus. Du kannst nichts ausrichten gegen den Drachen.«
»Ich muss gehen, Emilia. Wenn ich nicht gehe, sterben wir alle.«
»Er wird dich töten.«
Jakob riss sich los und ging zur Tür. »Warte hier. Ich komme zurück.«
»Jakob«, weinte Emilia. Sie hörte nur noch die Tür ins Schloss fallen. »Jakob!«
Jakob ging entschlossen zum Mittelweg und schaute zum Waldrand. Dort saß Tumaros, leise knurrend mit gesenktem Kopf, und schaute in seine Richtung.
»Gib mir Bernhard heraus!«, sagte er betont langsam.
»Er ist nicht hier! Oder hast du etwa sein Herz gehört? Falls du weißt, was das ist.«
Tumaros stutzte. Er hatte Bernhards Herzschlag gehört. Ganz kurz, dann war es still. Er konnte nicht in der Nähe sein. Aber Drachen irren nie. Es war Bernhards Herz.
»Bist du heute selbst gekommen, um zu sterben? Sonst schickst du doch deine Frauen«, höhnte Tumaros.
»Wir werden sehen, wer heute stirbt«, antwortete Jakob und ging mit festem Schritt auf den Drachen zu. Tumaros zog seine Augenbrauen tief hinunter und knurrte. Noch nie hatte jemand gewagt, sich ihm in den Weg zu stellen. Jakob blieb knapp zehn Meter vor ihm stehen, holte mit dem Speer weit aus und schleuderte ihn kraftvoll und zielsicher Tumaros entgegen. Dieser stutzte. Der Speer zischte durch die Luft und traf ihn mitten ins linke Auge. Er schrie auf. Warf den Kopf in den Nacken. Schleuderte ihn hin und her. Versuchte verzweifelt, ihn loszuwerden. Der Speer war tief ins Auge eingedrungen und ließ sich nicht abschütteln. Blaues Drachenblut quoll heraus. Tumaros packte den Speer mit seiner Pranke und zog ihn mit einem Ruck heraus. Das blaue Funkeln im Auge war erloschen. An seiner Stelle sah man nur noch ein schwarzes Loch. Jakob blieb stehen, entschlossen, den Kampf zu Ende zu führen. Tumaros starrte zu ihm. Das rechte Auge glühte feuerrot. Schwarzer Qualm stieg aus seinen Nüstern.
»Das hast du nicht umsonst getan«, knurrte er. »Das wirst du mir büßen.«
Er schickte einen kräftigen Feuerstrahl eng vorbei an Jakobs rechter Seite. Dieser biss die Zähne zusammen. Sein Fell brannte. Wild schlug er es aus. Bevor die letzte Flamme erlosch, kam der nächste Feuerstrahl, eng vorbei an seiner linken Seite. Wieder brannte sein Fell. Jakob schlug es aus und so ging es weiter. Tumaros genoss es, seinen Gegner brennen zu sehen. Er bemerkte nicht, wie Jakob den Speer am Boden erblickte und sich langsam, stetig in seine Richtung bewegte. Blitzschnell griff er ihn, holte aus und zielte kraftvoll auf Tumaros rechtes Auge. Im letzten Augenblick sah Tumaros den Speer und wich zur Seite. Jakob sah, wie er im Wald verschwand.
Der Drache holte tief Luft und stieß einen gewaltigen Feuerstrahl aus. Jakob versuchte, Richtung Mühlenbach zu entkommen. Tumaros sprang mit einem Satz über ihn hinweg und versperrte ihm den Weg. Er holte mit seiner Pranke aus, trat auf Jakob und drückte ihn in den Boden. Der Bär schnappte nach Luft, fast besinnungslos vor Schmerz. Tumaros ließ ihn los, beugte sich zu ihm hinunter und ergriff Jakob mit dem Maul. Grob hielt er ihn zwischen den Zähnen und schleuderte seinen Kopf hin und her, ein ums andere Mal.
Jakob spürte ein Knacken in seinem Hals. Ihm wurde schwarz vor Augen und sein Körper erschlaffte. Tumaros war von Sinnen, warf den Bären in die Luft und fing ihn wieder auf. Jakob spürte, wie alle Lebensgeister ihn verließen, spürte keine Schmerzen mehr. Mit einem Ruck ließ Tumaros ihn fallen. Jakob schlug hart auf und blieb regungslos liegen. Unter seinem Kopf spürte er eine leise Erschütterung. Er öffnete die Augen und sah Tumaros über sich, der völlig erstarrt zum Drachenberg glotzte, einen markerschütternden Schrei ausstieß, sich mit einem gewaltigen Satz vom Boden abstieß und pfeilschnell nach Hause flog. Jakob spürte seinen Körper nicht mehr. Jeder Atemzug wurde mühsamer. Er schloss die Augen und fühlte, wie er immer tiefer in einen Sog hinabgezogen wurde.
Emilia saß auf dem Boden und weinte. Sie hörte die entsetzlichen Schreie, das Stieben von Tumaros Nüstern und sein eiskaltes Lachen. Dann spürte sie eine leise Erschütterung im
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