Drachentempel 01 - Sternenträume
die anderen ab.« Er warf sich auf das Sofa und legte die Füße auf die Armlehne. Die kleinen Schirme wurden dunkel, während direkt vor ihm die Credits abrollten und der Soundtrack mit einer Lautstärke einsetzte, dass der Boden bebte.
Er hatte Flight: Horizon vor zwei Jahren entdeckt, als er eine Suchanfrage in die Kataloge von Amethis Multimedia-Companys geschickt hatte; soweit es ihn betraf, war es die großartigste Sciencefiction-Serie, die je produziert worden war. Nicht vollständig i, doch sie gestattete die Auswahl der Perspektive, sodass jede Episode aus dem Blickwinkel der verschiedenen Hauptfiguren angesehen werden konnte. Und sie war nicht erzieherisch – im Gegensatz zu all den anderen i-Dramen auf Amethi, die auf jugendliches Publikum abzielten.
Flight: Horizon spielte Hunderte von Jahren in der Zukunft und erzählte die Geschichte des unglaublich coolen Raumschiffs Ultema , dessen Aufgabe die Erkundung eines Spiralarms auf der anderen Seite der Galaxis war; einige Mitglieder der Crew waren Aliens, und die Planeten, die sie besuchten, waren faszinierend und gruselig zugleich. Außerdem standen sie einer bösartigen Rasse gegenüber, den Delexianern, die sie daran hindern wollten, wieder nach Hause zurückzukehren. Die Serie war vor dreißig Jahren von der Erde importiert worden, obwohl das Copyright von 2287 war. Die Bibliothek der Multimedia-Company beinhaltete nur dreißig Folgen, und Lawrence kannte sie inzwischen so gut, dass er die Dialoge fast auswendig wusste. Er konnte kaum glauben, dass nicht mehr Folgen produziert worden waren. Die Datapool-Adresse des Fanclubs auf der Erde gehörte zum Feature-Menü jeder Folge; Lawrence hatte die Raumschiffsgebühren bezahlt und eine Anfrage an den Club geschickt, in welcher er um mehr Informationen gebeten hatte. Jedes Mal, wenn ein Schiff über Amethi in den Orbit ging, überprüfte er seine Kommunikations-AS, doch bis zu diesem Tag hatte er keine Antwort erhalten.
Die Ultema war in eine gigantische Energieschlacht mit einem blauen Zwergstern verwickelt, dem die Delexianer eine Bewusstseinsmatrix aufgeprägt hatten, als sich mitten auf dem Schirm ein grünes Dringlichkeits-Icon öffnete. Das Raumschiff erstarrte, und eine Textmeldung lief über das Bild.
LAWRENCE, BITTE KOMM IN DAS BÜRO DEINES VATERS.
Er sah auf die Uhr – Viertel vor sechs. Sein Vater war vor zehn Minuten nach Hause gekommen. Mr. Kaufman hatte keine Zeit verschwendet und seinen Bericht abgeschickt. »Verbinde mich mit der Pearl im Arbeitszimmer«, befahl er.
»Online.«
»Ich bin im Augenblick beschäftigt«, sagte Lawrence und legte verletzten Ärger in seine Stimme. Die AS im Desktop-Pearl seines Vaters erkannte die Nuancen.
»Lawrence, bitte. Ich habe den Bericht aus der Schule erhalten und als dringlich eingestuft. Dein Vater will dich auf der Stelle sprechen.«
Lawrence schwieg.
»Möchtest du, dass ich deinen Vater in diese Unterhaltung mit einbeziehe?«
»Also schön«, sagte er widerstrebend. »Ich muss wohl kommen, wie? Aber du musst der Schul-AS erklären, warum ich meine Hausaufgaben heute nicht erledigen konnte.«
»Du machst keine Hausaufgaben.«
»Mache ich wohl. Ich habe nur Flight: Horizon im Hintergrund laufen.«
Lawrence zog das Tor hinter sich zu und wand sich durch die Büsche. Die Werkstatt lag am Rand der Hauptkuppel, und das Klima näherte sich dem Ende des Sommers. Insgesamt gehörten der Newton-Familie sechs große Kuppeln – die größte in der Mitte mit gemäßigtem Klima und fünf kleinere ringsum, jede mit einer anderen Klimazone. Es war eine der größeren Besitzungen im Reuzia-Distrikt, wo sich die reichsten Bewohner der Stadt niedergelassen hatten.
Lawrence legte rasch die dreihundert Meter durch den Park bis zum Haus zurück. Der Landschaftsdesigner hatte das Gelände in geteilten Ebenen angelegt, ein Schachbrett aus englischem Rasen, gesäumt von blühenden Büschen und winterharten Stauden. In den Ecken der Rasenflächen standen hohe Bäume, Weiden, Tannen, Birken, Kastanien, deren weit ausladende Zweige bis auf den Boden reichten, wunderbare Abenteuerspielplätze für kleine Kinder. Lawrence hatte viele Sommer in diesen Gärten gespielt, genau wie seine Geschwister heute.
Ein Bachlauf zog sich in weitem Halbkreis durch die Kuppel, außen um die Parkflächen herum, wo das Gras wilder wuchs und Gänseblümchen und Vergissmeinnicht blühten. Er überquerte den Bach über eine schmale, moosbewachsene Steinbrücke und wanderte
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