Drachentempel 01 - Sternenträume
diesem Tag bei ihr an, bevor er schließlich ins Bett und schlafen ging. Während der Nacht wachte er zweimal auf und tastete nach ihr. In jenen verschwommenen Augenblicken, wo er nicht wusste, ob er schon richtig wach war, zweifelte er, ob nicht alles bloß ein Traum gewesen war. Ein grauenhafter Gedanke.
Hilary Eyre High befand sich in einer eigenen Kuppel, eine dreistöckige, H-förmige Konstruktion, die groß genug war, um fünfzehnhundert Schülern und Schülerinnen eine erstklassige Ausbildung zu vermitteln. Das Gelände um die Schule herum bestand größtenteils aus Sportplätzen. Das Klima war das ganze Jahr über gemäßigt bis kühl. Es war eine ungewöhnliche Erfahrung für Kinder, die in einer Stadt großgeworden waren, wo jede Kuppel stolz war auf ihre Gartenlandschaften. Es gab überhaupt keine Bäume, nur weite Flächen Gras, unterbrochen von schlanken weißen Toren in den verschiedensten Größen.
Nicht ganz so ungewöhnlich jedoch wie der Anblick von Lawrence Newton, der neunzig Minuten vor dem offiziellen Schulanfang auf den Stufen stand. Trotz des Wetters war er mit dem Trike gekommen, um ganz sicher zu gehen, dass er sich nicht verspätete. Jetzt scharrte er ungeduldig mit den Füßen, während er versuchte, alle neun in dieser Kuppel endenden Tunnelausgänge gleichzeitig zu beobachten. Schüler strömten heraus und wanderten in Richtung des großen gläsernen Eingangs. Draußen auf der Plaza bildeten sich bereits verschiedene Gruppen, Freunde, die sich trafen, Sportmannschaften, die sich vor Beginn des Halbjahres fanden, Schüler, die mit ihren Arbeiten in Verzug geraten waren und nun verzweifelt jemanden suchten, von dem sie abschreiben konnten – wozu Lawrence normalerweise ebenfalls gehörte –, InCliquen, die gemeinsam cool waren.
Er sah sie sofort, selbst als sie noch hundert Meter entfernt war. Er brüllte und riss die Hände hoch, ohne sich um die neugierigen Blicke der anderen zu scheren. Sie bemerkte ihn und lächelte. Winkte zurück. Er rannte zu ihr, und sie fielen sich inmitten amüsierter Zuschauer in die Arme. Öffentliches Küssen verstieß gegen die Schulregeln. Lawrence war es egal.
»Du bist da«, sagte er dümmlich.
»Ja.« Sie grinste nervös und blickte sich um. »Ich hatte heute nichts Besseres vor.«
Sie erregten zu viel Aufmerksamkeit, als dass Lawrence seine übliche unnahbare Langeweile zeigen konnte. Er legte den Arm um sie, und gemeinsam marschierten sie die Treppe hinauf.
Roselyn erzählte, dass die Herfahrt vom Hotel prima gelaufen sei. Die Wohnung in der Leith-Kuppel war ganz in Ordnung, bis auf ein Problem mit dem Netzzugang des Gebäudes. Sie hatten nur ein paar einfache Möbel, deswegen wollte ihre Mutter an diesem Wochenende eine Tour durch die Geschäfte machen.
»Sind diese Klamotten in Ordnung?«, fragte sie und befingerte ihren Kragen. Sie trug einen langen dunklen Rock mit einer weißen Bluse und einem jadegrünen Pullover darüber. Dazu hatte sie ihre Haare mit einem Emailleschmetterling hinten zusammengefasst. Es sah sehr spröde aus.
Lawrence fand es erregend. »Du bist perfekt«, sagte er. Zugegeben, einige andere Mädchen trugen Kleidung, die wesentlich teurer gewesen war, doch das machte sie so sicher wie die Hölle nicht attraktiver.
Er sah, dass Alan Cramley ihnen einen Seitenblick zuwarf, der mehr Roselyn galt als ihm selbst. Sie besuchten einige Grundkurse gemeinsam, auch wenn sich Alan in letzter Zeit in einen Fußballverrückten verwandelt hatte und offensichtlich ziemlich gut in diesem Sport war, was ihm eine Menge mehr Prestige einbrachte als Lawrence, zumindest in ihrem Jahrgang.
Alan grinste hinter Roselyns Rücken, und Lawrence winkte ihm mit erhobenem Daumen. Sein erster Ärger darüber, dass irgendjemand seine wunderschöne Freundin nicht mit dem nötigen Respekt betrachtete, wurde durch die unauffällige Geste der Billigung mehr oder weniger ausgelöscht. So etwas hatte er noch nie zuvor erlebt.
»Und was mache ich jetzt?«, fragte Roselyn.
Lawrence verbrachte den Rest des Vormittags damit, sie ins Sekretariat und durch die Einschreibung zu begleiten. Dann zeigte er ihr das Gebäude. Er stellte sie so vielen Leuten vor, wie er konnte – praktisch jedem, den er auch nur entfernt kannte. Er brauchte nicht lange, um herauszufinden, dass er mit Roselyn an seiner Seite wärmer begrüßt wurde als üblich, sowohl von den Mädchen als auch von den Jungen.
Nach dem Mittagessen in der Mensa kehrten sie in die große
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