Drachentempel 02 - Drachenfeuer
Landschaft gewesen?«
»Industrielle Landwirtschaft, ja. Man hat Pestizide und Nitrate über die Erde geschüttet auf der Jagd nach höheren Erträgen, und zur Hölle mit den Konsequenzen. Landwirtschaftliche Maschinerie wurde so groß und so schwer, dass sie den Boden verdichtete. Am Ende war der Boden in den Industrienationen kaum noch mehr als eine Matrix, die Chemikalien und Wasser enthielt und den Wurzeln des Getreides Halt bot. Dann entwickelten die Companys die Proteinzelltechnologie, und die Landwirtschaft wurde überflüssig.«
»Und wir mussten keine Tiere mehr züchten und schlachten. Ich meine, kannst du dir vorstellen, wie barbarisch das gewesen sein muss? Lebendige Sachen zu essen! Es ist einfach abscheulich!«
»Es ist nicht abscheulich, sondern ganz und gar natürlich. Nicht, dass die Menschen heute noch so denken würden. Und ich sage ja auch nicht, dass Proteinzellen schlecht sind. Schließlich bedeutet es, dass niemand mehr auf der Erde verhungern muss. Aber wie bei allem wurde es irgendwann extrem, und jede mögliche Alternative wurde eliminiert. Ich will doch nicht mehr als ein paar Nischen erhalten, in denen unabhängiges Leben gedeihen kann.«
»Du meinst wie lebendige Museen?«
»Nein! Ich meine Nischen für Leute, die deine unikulturelle Company-Existenz ablehnen. Wir sind mehr, als Regierungen und Companys lieb ist. Viel mehr.«
»Ah, richtig. Die Zurück-zur-Scholle-Bewegungen. Also weigert ihr euch auch, die medizinische Technologie anzunehmen, die von unseren bösen Companys kommt?«
Sie starrte ihn ärgerlich an. »Das ist wieder mal so typisch! Du verunglimpfst etwas, das du überhaupt nicht kennst! Ich habe nie gesagt, dass ich die Technologie ablehne. Es ist die gegenwärtige globale Gesellschaft, mit der ich nichts zu tun haben will! Technologie muss nicht ausschließlich aus den Labors der Companys kommen, die Profit damit machen und Politik durchsetzen. Sie kann auch von Universitäten kommen, wo sie frei erhältlich ist und jedem dient. Selbst kleine unabhängige Gemeinden könnten eigene Forscher beschäftigen. Wenn wir alle freien Zugang zu den Daten hätten, könnten wir eine Kultur der verteilten Spezialisierung erschaffen.«
»Die alte Vorstellung vom globalen Dorf! Hübsch, aber du brauchst trotzdem Fabriken und städtische Zentren. Du müsstest das doch eigentlich wissen; Kultur gedeiht stets nur im Herzen einer Gesellschaft.«
»Der Datapool ist das Herz unserer Gesellschaft. Du denkst immer noch in physischen Begriffen, wenn du von Kohäsion sprichst. Du kannst mitten in einem Wald in einer Hütte leben, ohne dass es dir an etwas mangelt, und trotzdem bist du im Kontakt mit dem Rest der Welt.«
»Aber warum dort leben, wenn du genauso gut in einer Stadt leben kannst, wo du Menschen triffst und abends in eine Bar gehen und lachen und trinken kannst? Wir wollen doch nicht alle als Einsiedler leben!«
»Das weiß ich auch. Aber eure Companys wollen nicht, dass überhaupt jemand als Einsiedler lebt oder anders ist. Wenn es nach ihnen ginge, müssten wir uns alle dieser Monokultur anpassen, die sie durchzusetzen versuchen, wie kleine Chips auf einer elektronischen Platine. Ich will kein Teil davon sein! Ich will meine Freiheit!«
»Ich denke, du übertreibst.«
Sie deutete auf ein Abzeichen auf ihrem Mantelrevers. Es zeigte ein einzelnes Auge im Zentrum. »Öffne deine Augen.«
Er versuchte, die Unterhaltung wegzulenken von Politik, und sie redeten über Musik, ein halbwegs ungefährliches Thema. Man konnte verschiedener Meinung über die eine oder andere Band sein, über Komponisten und Musiker, ohne nach draußen zu stürmen oder Dinge zu werfen. Sie mochte orchestrale Symphonien von mehreren klassischen und modernen Komponisten. Obwohl sie in ihrem Multimedia-Player Tausende von Stunden Musik gespeichert hatte, begeisterte sie sich für Live-Konzerte. Sie erzählte ihm von den Konzerten, die sie besucht hatte, und von den Bands und Orchestern, die sie gesehen hatte. Was Unterhaltung anging, so mochte sie keine I’s, auch wenn sie zugab, einige der gegenwärtig laufenden Soap Operas zu sehen. Die I’s, so behauptete sie, waren etwas, aus dem sie herausgewachsen war. Und sie hasste AS-generierte Dramen und zog es vor, richtige Theater zu besuchen. Amsterdam hatte eine ganze Reihe kleiner Theater abseits von den Hauptströmungen, die sie mit ihrem Studentenausweis zu vergünstigten Eintrittspreisen besuchen konnte, erzählte sie, und die Stadt besaß auch
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