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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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verlangsamte mein Tempo zu einem hinkenden Gehen. Vor mir begann schon der Weg. Noch ein paar Schritte, dann wäre ich da.
    Auf dem Pflaster lag etwas. Etwas Großes.
    Ich blieb stehen. Ich brauchte einen Augenblick, um die verzerrte Gestalt zu erkennen. Es war Ryko, der sich vor Schmerzen am Boden wand. Er drehte sich zu mir herum und die Anstrengung ließ ihn gedämpft aufschreien. Seine Adern traten an Stirn und Nacken wie Schnüre hervor und er hatte die Zähne gefletscht.
    »Bleibt weg!« Seine Worte mündeten in ein Stöhnen; er krümmte sich und sein Kopf schlug mit einem dumpfen Geräusch gegen die Steinplatten. Ich kroch übers Pflaster und schob ihm die Hand unter den Hinterkopf, damit er ihn nicht erneut auf die Steine schlug. Sein schwerer Schädel drückte meine Fingerknöchel gegen den Boden.
    »Sie müssen aus dem Hügel gekommen sein«, keuchte er. »Lauft weg!«
    Er hielt sich den Bauch und dunkles Blut sickerte zwischen seinen Fingern hervor. Hatte man ihm ein Messer in den Leib gestoßen? Ich blickte mich aufgeregt um. Der Hügel erhob sich flach über uns, und die gebogene schwarze Eisentür, die in seine Flanke eingelassen war, glich einem schreienden Mund. Von dort konnte niemand gekommen sein, denn sie war mit einem schweren Vorhängeschloss gesichert.
    »Lasst mich. Verschwindet«, stieß Ryko hervor. »Sofort!«
    »Nein«, erwiderte ich, und in meiner Angst regte sich ein Funken Wut. Ich durfte ihn nicht hier sterben lassen. Aus den Augenwinkeln sah ich etwas glänzen. Ich fuhr herum. Einen Moment lang sah ich riesige beigegraue Krallen kreuz und quer über den Hügel laufen wie Gitterstäbe – und darüber ein Auge, das so dunkel war wie ein Abgrund.
    Der Rattendrache.
    Im Tordurchgang am anderen Ende des Gartens flackerten inzwischen Fackeln. Die Wächter waren noch im Innenhof, doch es würde nicht mehr lange dauern, bis sie den Garten absuchten.
    »Sie kommen«, flüsterte ich. »Wir müssen uns verstecken.«
    Er nickte mit zusammengebissenen Zähnen. »Zwischen den Bäumen?«, keuchte er.
    Sie waren zu weit weg und in zu großem Abstand vonein ander gepflanzt, um wirklich Deckung zu gewähren. Ich drehte mich um und suchte nach einer anderen Möglichkeit. Die Tür? Würde die Macht des Rattendrachen auch die Wächter von der Bibliothek fernhalten? Wenn wir uns im Dunkel des Eingangs versteckten, würden sie uns vielleicht nicht entdecken.
    »Im Eingang zur Bibliothek«, sagte ich.
    Ich kauerte mich hinter ihn und schob ihm die Arme unter die Achseln. »Los. Hilf mir.«
    Er stemmte die Füße gegen den Boden und drückte, während ich ihn rückwärts schleifte. Wir krochen mühsam übers Pflaster. Sein Gewicht zog meine Knochen auf die Steinplatten und presste mir fast die Luft ab. Jede Anstrengung rang ihm ein leises Stöhnen ab und trieb mir den Atem rasselnd aus der Lunge. Würden die Wächter uns hören? Der Fleck auf der Vorderseite seines Gewands wurde größer, nasser und dunkler. So viel Blut. Ich drückte die Hand auf seinen Bauch, um die Wunde zu ertasten.
    Der Stoff war nicht nass.
    Ich hob die Hand – kein Blut, kein Fleck.
    Es war nicht wirklich. Nichts davon war wirklich!
    »Ryko, du blutest gar nicht. Der Rattendrache gaukelt uns das bloß vor.«
    Ich sah, wie seine Augen sich nach innen drehten.
    »Nicht!« Ich stieß die Finger in den Muskel unter seinem Schlüsselbein. Sollte er ohnmächtig werden, hätte ich keine Möglichkeit, ihn vom Fleck zu bekommen. »Bleib wach. Deine Verletzung ist nicht echt.«
    Er ächzte vor Schmerz, doch seine Augen wurden wieder klar. »Lasst mich«, keuchte er. »Lauft weg. Ihr dürft nicht gefunden werden.« Er drückte meine Hände weg.
    Ich zerrte uns ein kleines Stück weiter. Er bewegte die Füße ein wenig, um mir zu helfen. Noch ein Ruck, und ich stieß mit der Schulter gegen ein Hindernis: die Tür. Ich wand mich unter Ryko hervor, kroch um ihn herum und rollte ihn ins Dunkel. Sollten die Wächter es so weit schaffen wie Ryko, würde der Schatten des Hügels uns nicht mehr verbergen und sie würden uns entdecken. Ich lehnte mich gegen die kalte Metalltür. Die ganze Mühe wäre dann umsonst gewesen.
    Ich sah zum Vorhängeschloss hoch. Wir mussten in die Bibliothek gelangen, doch Ryko war nicht in der Lage, es zu knacken. Ich streckte die Hand aus, griff nach dem schweren Schloss und zog daran. Natürlich ohne Erfolg. Ich rüttelte daran und hörte Metall an Metall schlagen. Da war nichts zu machen.
    Ich blickte zurück. Zwischen

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