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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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anderen und spiralförmig verziert waren.
    »Was ist das?«, fragte Ryko. »Irgendein Drachenzauber?«
    »Ich weiß es nicht. So etwas habe ich noch nie gesehen.«
    Ryko streckte die Hand nach dem Riegel aus, schob ihn problemlos beiseite und warf mir über die Schulter einen raschen Blick zu.
    »Fertig?«
    Ich nickte.
    Er drückte und die Tür ging auf. Unser Kerzenlicht fiel auf einen prächtigen blauen Teppich und brachte Regale voll polierter, mit Schriftrollen gefüllter Holzschatullen zum Schimmern. Weiter hinten konnte ich einen großen Lesetisch erkennen, dessen Umrisse sich im Dunkeln verloren. Der Raum schien sich ins Unendliche zu erstrecken.
    Und doch sah er aus wie die Bibliothek meines Meisters und roch auch so: nach verstaubtem Pergament und beißender Tusche. Doch da war noch etwas anderes – eine Aura von Macht, die durch meine Füße aufstieg und gegen meine Schädeldecke drückte.
    Ryko trat mit erhobener Kerze ein. »Ist das riesig hier!« Er blieb stehen und drehte sich einmal ganz herum. »So viele Schriftrollen!« Dann ging er weiter. »Macht die Tür hinter Euch zu, Mylord, und lasst uns eine Lampe anzünden und mit der Suche nach Eurem Portfolio beginnen.«
    Ich trat ein und drückte die Tür zu, während Ryko seine Kerze an den Docht einer großen Bronzelampe hielt, die auf einer Seitenbank stand. Sofort wurde es heller, und statt endloser Schatten waren Wände und Decke eines langen Saals zu sehen. Es zog mich zum hölzernen Lesetisch, der die ganze Mitte des Saals einnahm. Seine leicht geneigte Oberfläche war mit offenen Schriftrollen bedeckt, deren Ecken von kleinen Messinggewichten niedergehalten wurden. Am oberen Ende des Tisches waren einige kleine Lampen angebracht, deren Öl sicher hinter Glas verwahrt war. Wie bequem musste es sein, eine Schriftrolle in so hellem Licht zu studieren!
    »Oho!«, rief Ryko. »Na, das erklärt einiges.«
    Ich blickte mich zu ihm um. Er stand an der Seitenbank und hielt einen Lederbeutel in der Hand.
    »Was gibt’s denn?«, fragte ich.
    Er schob einen Finger in den Beutel. Als er ihn wieder herauszog, war er ganz grau, und Ryko probierte vorsichtig davon. »Das ist Sonnenpulver.« Er wog den Beutel in der Hand. »Dieser Vorrat dürfte für vier Monate reichen. Kein Wunder, dass Lord Ido für ein Drachenauge so muskulös ist. Und so unberechenbar.«
    »Wie wirkt dieses Pulver?«
    Ryko band den Beutel wieder zu. »Es stärkt die Sonnenkraft des Mannes und lässt seine Muskeln und seine Kampfeslust wachsen. Es ist nur für die Schattenmänner der Kaiserlichen Garde gedacht. Lord Ido muss jemanden bestochen haben, um es zu bekommen.«
    »Du nimmst es?«
    Er nickte. »Täglich. Wir bekommen es mit dem Frühstück, damit wir keine weiblichen Formen und Gedanken bekommen. Sind Euch die älteren Schattenmänner aufgefallen, die als kaiserliche Diener arbeiten?«
    Ich nickte.
    »Dann habt Ihr sicher auch ihre rundliche Gestalt und ihre hohe Stimme bemerkt.«
    Ich betrachtete den Beutel. »Meinst du, Lord Ido nimmt das Pulver, um die Schwächung seiner Kräfte aufzuhalten, die mit seinem Wirken als Drachenauge einhergeht?«
    Ryko warf den Beutel auf die Bank zurück. »Dessen bin ich mir sicher. Und seine plötzlichen Wutausbrüche verraten mir, dass er zu viel davon nimmt.«
    Wenn dieses Mittel die Sonnenkraft stärkte, würde es dann auch das Band zwischen Drachenauge und Drachen verstärken? Würde es mir helfen, den Spiegeldrachen zu rufen?
    »Wie viel soll man denn nehmen?«
    »Nur eine Fingerspitze täglich, damit die Sonnenkraft nicht zu übermächtig wird und einen nicht alles Mögliche zur Weißglut treibt. Schwermütige Naturen dagegen verfallen in einen Trübsinn, den sie nie mehr loswerden.« Mit leiserer Stimme setzte er hinzu: »Und es gibt noch andere Folgen, dunkle, pockenartige Flecken zum Beispiel; oder es fallen einem alle Haare aus.«
    »Dunkle Flecken? Wie bei einem Ausschlag?«
    Ryko nickte. »Ja. Habt Ihr sie gesehen?«
    »Gut möglich, dass Dillon dieses Pulver von Lord Ido bekommt«, sagte ich. »Er hat den Ausschlag und sein Wesen hat sich verändert.« Ob Dillon das Mittel wissentlich einnahm? Oder verabreichte Lord Ido es ihm heimlich?
    »Wenn Ido nicht aufpasst, wird er Euren Freund umbringen. Zu viel Sonnenpulver kann tödlich sein.«
    Ich betrachtete den Beutel erneut.
    »Kommt, lasst uns die Schrift suchen«, sagte Ryko. »Wir können nicht mehr lange bleiben. Und wir müssen noch einen Weg ins Freie finden, ohne die Wächter zu

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