Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
Vom Netzwerk:
los?«
    »Nichts.« Ich schloss den Deckel wieder und ließ ihn zuschnappen. »Ich komme sofort. Lass mich allein.«
    Sie verneigte sich und zog sich zurück. Ich stellte die Schatulle wieder auf den Tisch und presste die Handballen gegen die Augen, um die Traurigkeit zurückzudrängen. Manche Dinge gestand man sich besser nicht ein.
     
    Ich nahm einen Umweg, um vom Hauptgebäude zur Küche zu kommen. So hatte ich Zeit, mich wieder zu sammeln und mir zu überlegen, was ich dem Hauspersonal als neuer Herr sagen wollte. Ich hatte meine Vorbereitungen schnell treffen müssen, doch das Wesentliche immerhin war geklärt. Ich berührte die dünnen Metallmarken in meiner Tasche und konnte es kaum erwarten, Charts Gesicht zu sehen, wenn ich sie hervorholen würde.
    Schon ein paar Schritte vor dem Hof hörte ich Irsa mein Kommen ankündigen. Das Personal kniete bereits auf dem Pflaster, als ich kam. Wie oft hatte ich Rillas oder Irsas Ruf erwartet, um bei der Ankunft meines Meisters zu Boden zu fallen! Inzwischen kniete ich nur noch vor Mitgliedern des Kaiserhauses.
    Selbst Chart verneigte sich. Gärtner Lon stützte ihn mit seiner kräftigen Schulter und hielt die Hand schützend über dem Rücken des Jungen. Lon hatte immer ein großes Herz besessen. Ich sah an Charts Nackenmuskulatur, wie schwer es ihm fiel, in seiner Stellung zu verharren. Er warf den Kopf hin und her und ein breites Lächeln kam zum Vorschein. Er we nigstens war froh, mich zu sehen. Irsa warf mir von unten ein paar verstohlene Blicke zu und befürchtete offensichtlich, dass sich ihr ewiges Drangsalieren nun bitter rächen würde. Es war verführerisch, sie für all die Tritte, Kränkungen und kindischen Petzereien zahlen zu lassen, doch ich hatte mich bereits dagegen entschieden. Einem Sprichwort zufolge offenbarte sich der wahre Charakter eines Menschen in der Niederlage. Ich war der Ansicht, er zeige sich auch beim Sieg.
    Der Hof kam mir unerwartet klein und schäbig vor, doch es war noch dieselbe Katze, die sich auf ihrem sonnigen Plätzchen neben der Tür zu meiner alten Schlafkammer rekelte. Ich räusperte mich, und alle hockten sich auf und erwarteten, was ich zu sagen hatte. Angesichts des schweigenden Respekts, der mir entgegenschlug, konnte ich mich plötzlich nicht mehr an meine einstudierte Ansprache erinnern. Sie war mir komplett entfallen.
    Eine Bewegung befreite mich von meiner aufsteigenden Panik – es war Chart, der die Hand ausstreckte. Er lächelte und blinzelte langsam mit einem Auge. Mir fiel wieder ein, was ich hatte sagen wollen.
    »Lord Brannon – möge sein Geist im Garten der Himmelsfreude wohnen! – hat mir dieses Anwesen mit all seinen Bediensteten vererbt«, sagte ich und zwang meine Stimme zur Gelassenheit.
    Niemand machte ein erstauntes Gesicht – unter Dienern sprechen sich Neuigkeiten schnell herum.
    »Ich werde dieses Anwesen und den Haushalt so lassen, wie sie sind – bis auf wenige Ausnahmen.«
    Irsa wich zurück und rechnete vermutlich damit, auf dem Sklavenmarkt zu landen, doch meine Aufmerksamkeit war auf Chart gerichtet. Ich war nicht oft Überbringer guter Nachrichten.
    Ich hielt die beiden Befreiungsmarken hoch – Messinganhänger an dünnen Lederschnüren, gestempelt mit dem kaiserlichen Freiheitsedikt und Wappen. »Zunächst befreie ich Chart und Rilla aus der Leibeigenschaft.«
    Reglos vor Schreck sah Chart zu mir hoch. Nur sein Mund bewegte sich wie bei einem der riesigen Karpfen des Kaisers. Neben mir schnappte Rilla nach Luft.
    Es war nicht leicht gewesen, so schnell alle bürokratischen Hürden zu überwinden und den beiden die Freiheit zu geben, doch ich hatte rasch festgestellt, dass Gold dabei Wunder wirkte. Den Großteil meines Trauergeldes dafür ausgegeben zu haben, wog nicht viel angesichts der Freude, die nun in ihren Gesichtern stand. Und das Beste würde noch kommen.
    »Und ich ernenne Freimann Chart zum Erben dieses Anwesens.«
    Chart fiel vornüber, und nur Lons Geistesgegenwart bewahrte ihn davor, aufs Pflaster zu stürzen. Ich überwand die wenigen Schritte, die uns trennten, und fiel auf die Knie. Gleich darauf kauerte sich Rilla neben mir nieder und legte ihrem Sohn die Hände an die Wangen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte ich. Er lag in Lons Armen.
    »Dem geht’s gut«, sagte Rilla und nickte Lon dankend zu.
    Charts schmale Finger umschlossen mein Handgelenk. »Frei?«
    Ich nickte. »Und Erbe.«
    »Mylord.« Rilla ergriff meine andere Hand und küsste sie. »Danke, Mylord. Ihr habt

Weitere Kostenlose Bücher