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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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stimmt. Aber mein Bauch sagt mir, dass der Bote auf seinen Befehl hin umgebracht wurde.« Er wies mit dem Kopf zu Idos Zimmer hinüber.
    »Lord Eon!« Das war Tyrons Stimme. »Männer des Kaisers sind hier. Ihr müsst jetzt kommen.« Das alte Drachenauge spähte gemeinsam mit Hollin durch die Tür. »Ohne Euch wollen sie nicht sagen, weshalb sie gekommen sind.«
    Ich konnte es nicht länger aufschieben. Also straffte ich die Schultern und versuchte, genug Mut zu fassen, um Ido erneut gegenüberzutreten.
    »Ich fürchte, es sind schlechte Neuigkeiten«, raunte Tyron, als wir zwischen den Häusern hindurchgingen. » Sechs Boten, um eine Nachricht zu überbringen – da ist jemand kein Risiko eingegangen.«
    Das ganze Dorf schien sich um das steinerne Podium herum versammelt zu haben. Nun, da der Königsmonsun besiegt war, durften die Frauen und Kinder wieder auf den Dorfplatz, der voller Jubel und Gelächter hätte sein sollen. Stattdessen standen alle still im Licht des späten Nachmittags und beobachteten die sechs kaiserlichen Gesandten. Die Männer saßen noch immer zu Pferde, obwohl die Tiere schweißgebadet und wegen der vielen Menschen unruhig waren.
    Inmitten all der eintönigen, selbst gewebten Stoffe fiel mir ein golden und seidengrün schillerndes Gewand ins Auge: In Begleitung zweier Wachen, die zu Rykos Männern gehörten, arbeitete sich Lady Dela zu uns durch. Ihre freundlich strahlende Miene verstärkte mein schlechtes Gewissen noch. In welche Gefahr hatte ich meine Freunde gebracht! Ich forderte Rilla mit einer Handbewegung auf, zu ihr zu gehen, wandte mich dann den Boten zu und war mir vollkommen bewusst, dass Ido mich vom Podium aus anstarrte. Ich ballte die Fäuste und drängte die unbändige Angst zurück, die mich zur Flucht drängte. Hollin und Ryko bahnten uns einen Weg durch die dicht gedrängte Menge. Als Tyron und ich die steinerne Bühne erstiegen, steigerte sich die Erwartung ins Ungeheure.
    »Wir suchen Lord Eon, das Spiegeldrachenauge«, sagte der Anführer der Boten, und seine kultivierte Städterstimme reichte bis in die letzten Winkel des Platzes.
    »Ich bin Lord Eon«, erwiderte ich und brachte es nicht fertig, meinen offiziellen Drachentitel anzuhängen.
    Alle sechs Männer saßen ab. Der Anführer drückte die Zügel in die Hände seines Nebenmanns, zog eine Schriftrolle aus der Tasche, fiel neben dem Podium auf die Knie und beugte die Stirn dreimal bis zum Boden herab. Er trug auf dem breiten Rücken zwei kurze gekreuzte Schwerter, gehörte also zur Leibwache des Kaisers. Nun hielt er mir die Schriftrolle mit ernster Miene entgegen.
    Das Pergament war versiegelt und in das Wachs war das Bild des kaiserlichen Drachen gedrückt. Die Nachricht war kurz:
    An Lord Eon, Spiegeldrachenauge und Zweites Herrschendes Drachenauge des Drachenrats.
    Mein geehrter Vater ist tot. Möge sein Geist unter unseren ruhmreichen Vorfahren wandeln und meiner Regentschaft Glück bringen.
    Kehrt sofort in die Stadt zurück, um die Geisterwache mit mir zu halten. Lasst Euch von Lady Dela beraten, die im Auftrag meines Vaters die Rituale studiert hat und Eure Rolle in den kommenden Abläufen genau kennt.
    Perlenkaiser Kygo-Jin-Ran
     
    Ich sah in die forschenden Mienen ringsum.
    »Der Kaiser ist ins Land der Vorfahren gegangen«, sagte ich.
    Dabei fasste ich Ido ins Auge. Obwohl die Trauer in seinem Gesicht frisch schien, war ich davon überzeugt, dass ihm diese Nachricht nicht neu war. Die morgendliche Botschaft. Hatte er beim Tod des Kaisers die Hände im Spiel gehabt? Der Zeitpunkt schien zu günstig, als dass es sich um einen bloßen Zufall handeln konnte. Und wie sonst hatte sein Bote so früh vom Tod des Regenten erfahren sollen, dass er schneller hier gewesen war als die kaiserlichen Reiter?
    Die Dörfler in der Nähe des Podiums gaben die Neuigkeit flüsternd weiter, bis an die Stelle des Schweigens ringsum langsam ein Jammern trat, das sich zu einer Trauerklage steigerte, deren grelle Töne noch in der anderen Welt zu hören sein mussten.
    »Wir müssen in die Stadt zurückkehren«, rief Lord Tyron durch den furchtbaren Lärm.
    Ich nickte benommen. »Mir wurde befohlen, die Geisterwache mit Prinz …« – ich hielt inne, denn Kygo war inzwischen Kaiser – »… mit unserem ruhmreichen neuen Oberherrn zu halten.«
    »Ihr sollt die kaiserliche Geisterwache halten?«, stieß Lord Silvo hervor. »Dann hat der Perlenkaiser Euch zum Zweiten Trauernden erkoren. Ihr seid dazu bestimmt, den Geist des alten

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