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Drachentochter

Drachentochter

Titel: Drachentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Goodman
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»Schafft sie neben die Pagode.«
    Ryko bugsierte mich unsanft durch das Tor.
    Niemals hätte ich erwartet, dass es so viele sein würden: Reihen und Reihen von Soldaten drängten sich auf dem Gartenplatz und ihre gespannte Erwartung ließ sie wie Raubtiere stinken. Ihre Aufmerksamkeit war allein auf die elegante Pagode in der Mitte gerichtet. Zwar ließen die Köpfe der vor mir Stehenden mich nur die zum Himmel strebenden Kurven des Pagodendachs sehen, doch Sethons siegestrunkene Stimme drang mir unüberhörbar ins Ohr.
    »Ich bin euer Kaiser«, brüllte er. »Ich bin Kaiser.«
    »Kaiser«, brüllten die Männer wie bellende Hunde zurück und reckten Hunderte Fäuste in die Luft.
    Ryko zog mich näher an sich heran. »Wartet«, flüsterte er mir ins Ohr.
    Ich nickte unmerklich. Wir konnten nichts tun, ehe Lady Dela nicht den wahren Namen meines Drachen herausgefunden und zu uns aufgeschlossen hatte. Ich fuhr mir mit der Zunge über die vor Angst trocknen Lippen. Was würde ge schehen, falls das Buch den Namen nicht enthielte? Schlim mer noch: Was wäre, falls Lady Dela den Namen herausfände, doch ich könnte meinen Drachen noch immer nicht rufen?
    Vier nahebei stehende Soldaten warfen uns Neuankömmlingen Seitenblicke zu. Die Gier in ihren Gesichtern ließ mich Schutz bei Ryko suchen und ich drängte mich noch enger in seinen Griff. In ihren Augen stand etwas, das ich beim Auspeitscher der Saline gesehen hatte, als er einmal einen Mann zu Tode prügelte: Blutdurst. Diese Männer wollten Grausamkeiten sehen. Und Tod. Und es war ihnen gleich, wer dran glauben musste.
    Ich spürte, wie Ryko sich hinter mir zu seiner vollen Größe aufrichtete und mit der freien Hand nach Kinras Schwert griff. Drei der Soldaten wandten angesichts dieser herausfordernden Geste den Blick ab, doch der vierte sah Ryko so lange in die zornsprühenden Augen, bis Sethons tiefe, widerhallende Stimme seine Aufmerksamkeit zurück auf die Pagode zog. Ich schluckte die Galle hinunter, die mir in die Kehle gestiegen war. Was konnten wir gegen Hunderte blutgieriger Männer schon ausrichten?
    »Ich bin Nachfahre der Jadedrachen, besitze also den rechtmäßigen Anspruch«, rief Sethon gerade. »Ich berufe mich auf die Tradition des Reitanon.«
    »Reitanon, Reitanon«, riefen die Männer im Chor.
    »Nein«, schrie eine Frau. »Nein!« So angstschrill diese Worte auch klangen: Ich erkannte Lady Jilas Stimme.
    Ich drehte mich in Rykos Griff seitwärts, um irgendwo durch die Menge spähen zu können. Der große Platz war als Gelehrtengarten geplant. Eine Reihe gepflasterter Terrassen waren von kunstvoll beschnittenen Bäumen, von Steinen und miteinander verbundenen Teichen umgeben, die einen Fluss ruhiger Energie schaffen sollten. Heute aber war von Frieden oder Harmonie nichts zu spüren. Soldaten zertrampelten die schön gestalteten Flächen und schufen ihre eigenen engen und hässlichen Muster. Schließlich öffnete sich doch eine Sichtschneise und ich sah die Pagode in ganzer Höhe. Ein glänzender Kriegsgott stand darin: Großlord Sethon. Er trug einen mit Hörnern besetzten Helm und volle Rüstung und der kostbare Metallbesatz und die vergoldeten Nieten funkelten im Fackellicht.
    Zwei Soldaten zerrten eine Frau über den Boden und stie ßen sie zu Sethons Füßen nieder. Die Frau drückte etwas an ihre Brust: Lady Jila und ihr Sohn, der zweite Prinz! Ich zuckte vorwärts, doch Rykos eiserner Griff hielt mich zurück.
    »Ich weiß«, sagte er. »Ich weiß.«
    Wo war Lady Dela? Ich drehte mich um. Wo war sie? Oh ne sie und das Buch konnten wir nichts unternehmen.
    »Am Eingangstor«, flüsterte Ryko.
    Sie war gegen die Mauer gesunken, hatte die eine Hand an die Schulter gedrückt, die andere vor den Bauch gelegt und schien zu den vielen verwundeten Soldaten zu gehören, die gekommen waren, um das Spektakel zu erleben. Doch der Blick dieses Soldaten war nicht auf die Pagode gerichtet, sondern auf etwas, das unter dem angewinkelten Ellbogen und dem gekrümmten Oberkörper versteckt war.
    Sie musste meine Verzweiflung gespürt haben, denn sie sah auf. Die Hoffnungslosigkeit in ihren Augen beantwortete meine wortlose Frage. Sie senkte den Kopf wieder ins Buch.
    »Ihr habt keinen rechtmäßigen Anspruch!«, schrie Lady Ji la nun. »Meine Söhne haben ihn!«
    Ein Kind begann zu weinen, und unterhalb der Pagode am Fuß der Steine erhoben sich schrille und heftige Schreie. Ei nen Moment lang sah ich in Ketten gelegte Gardisten des Kaisers, die mit Soldaten

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