Drachentochter
dass sein Kopf den Boden berührte. Der Prinz krümmte sich und drückte den Handballen gegen eine klaffende Wunde am Wangenknochen.
»Vergebt mir, Hoheit«, flehte der Adlige in die plötzliche Stille hinein. »Das war keine Absicht. Ich wollte nicht –« Er verstummte, als zwei Mitglieder der kaiserlichen Garde mit gezückten Schwertern neben ihn traten.
Der Prinz richtete sich auf und spuckte das Blut aus, das ihm in den Mund gelaufen war. Sein Auge schwoll bereits zu und ein Bluterguss begann seine Wange zu verdunkeln.
»Dafür dass der Stoß nicht beabsichtigt war, wurde er mit ziemlicher Wucht geführt, Lord Brett«, sagte er gefasst.
»Das war Zufall, Hoheit, ich schwöre es Euch«, rief der junge Adlige verzweifelt. »Ihr wisst doch, dass ich in aller Regel nicht durch Eure Abwehr dringe.«
Würde der Prinz ihn wegen eines Missgeschicks töten lassen? Die Zuschauer beugten sich vor, und ich folgte ihrer Bewegung, erfüllt von der gleichen makabren Neugier.
Die beiden Wächter erwarteten einen Befehl ihres Herrn und hielten die Schwerter dabei auf den Kopf des Adligen gerichtet. Der Prinz hob seinen Stab auf.
»Zurück«, befahl er ihnen.
Sofort entfernten sich die beiden. Der Prinz holte mit seiner Holzwaffe aus und hieb dem jungen Adligen mit aller Kraft auf den Rücken. Der Schlag hallte im stillen Hof wider. Dann warf der Prinz den Stab zu Boden und ging zu seinem Lehrer, der am Rand des Kampfplatzes stand. All seine Bewegungen waren entschlossen, unnachgiebig, herrschaftlich.
»Der Prinz ist gnädig«, sagte eine vertraute Stimme an meiner Schulter.
Ich umklammerte den Zaun, drehte den Kopf zur Seite und sah Dillon verbeugt neben mir stehen.
»Bei den Göttern, Dillon – hast du mich erschreckt!« Ich lächelte unsicher und dachte daran, wie oft wir beim Training versucht hatten, uns an den anderen anzuschleichen.
»Entschuldigt, Lord Eon«, sagte er förmlich, erwiderte mein Lächeln dabei aber kurz. »Meister Tellon schickt mich. Ich soll Euch in die Übungshalle führen.«
Ich atmete vernehmlich durch die Zähne ein und hatte das Gefühl, keine Kraft mehr zu haben. Was war nur mit mir los?
»Bin ich so spät dran?«
Dillon nickte. »Er scheint nicht sehr verärgert zu sein, aber wir sollten uns beeilen.« In seine Stimme war wieder etwas Wärme zurückgekehrt. Ich folgte ihm einige Schritte, blieb dann aber stehen, denn ich hatte meinen Führer vergessen und winkte ihn nun herbei.
»Lehrling Dillon wird mich begleiten. Du kannst gehen.«
»Mylord.« Er verbeugte sich vor mir und wandte sich dann an Dillon. »Geehrter Lehrling.«
Wir sahen ihm nach, bis er im dunklen Bogen des Durchgangs verschwunden war.
»Ich habe mich noch immer nicht daran gewöhnt, dass Menschen sich vor mir verbeugen«, sagte ich.
»Ich auch nicht«, meinte Dillon lächelnd und fügte in pompösem Ton hinzu: »Mylord.«
»Geehrter Lehrling«, erwiderte ich ebenso gespreizt und schielte dazu kurz.
Dillon kicherte und dieses vertraute Geräusch war Balsam für meine Nerven. Er zeigte auf einen großen Saal in der hinteren Ecke des Platzes und machte sich dorthin auf den Weg. Ich blickte zum Übungsgelände zurück, um den Prinzen noch einmal zu sehen, doch die Menge drängte sich jetzt noch dichter um den Zaun und versperrte mir die Sicht. Also schloss ich zu Dillon auf und versuchte, die Anspannung loszuwerden, die mich geradezu vibrieren ließ.
»Es scheint dir … besser zu gehen«, sagte ich zögernd, um die empfindliche Harmonie zwischen uns nicht zu stören.
Dillons Gesicht nahm einen lauernden Ausdruck an. »Wie meinst du das?«
Ich hob beschwichtigend die Hände. »Heute Morgen hast du krank gewirkt.«
Er seufzte und massierte sich die Stirn. »Das ist bloß dieses Kopfweh. Mir geht’s gut, jedenfalls seit Lord Idos Abreise.« Er blickte sich um und beugte sich dann zu mir vor. »Ich glaube, er ist verrückt. Denk an den Angriff auf deinen Meister – auf Lord Brannon, meine ich natürlich.«
Ich nickte, doch mich interessierte etwas anderes viel mehr. »Wohin ist er denn unterwegs? Und wie lange bleibt er weg?«
»Einige Tage. Er hat sich zu Großlord Sethon aufgemacht und wird mit ihm zurückkehren.«
Also würde der Großlord wieder in die Stadt kommen. Diese Neuigkeit würde meinen Meister zweifellos interessieren.
»Warum hast du ihn nicht begleitet?«, fragte ich.
Dillon blieb stehen und zog mich am Ärmel näher heran. »Ich soll dich beobachten und ihm sagen, was du während unseres
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