Drachentochter
Unterrichts treibst.«
Hatte Lord Ido Verdacht geschöpft?
»Warum?«
Dillon zuckte die Achseln. »Er sagt mir, was ich zu tun habe – nicht, warum ich es zu tun habe.« Er sah über den Platz und ein Frösteln lief ihm über die schmalen Schultern. »Er hat so eine Art, die mich dazu bringt zu tun, was er verlangt.« Er hielt inne; wieder verdüsterte die seltsame, nur kurz aufflammende Wut seinen Blick. »Aber ich bin nicht sein Sklave. Mag er ruhig denken, ich hätte weder Mut noch Kraft, mich ihm zu widersetzen, doch da täuscht er sich.«
Ich merkte, dass sein Aufbegehren mir eine Möglichkeit bot. »Sag mal, Dillon, hast du ihn mal mit einer roten Ledermappe gesehen? Umwickelt mit schwarzen Perlen?«
Er schüttelte den Kopf. »Er lässt mich nicht in die Bibliothek. Sie ist stets abgeschlossen und alle schlagen einen großen Bogen darum. Wieso?«
»Ich dachte bloß, er hätte die Schrift vielleicht.« Wir gingen wieder weiter. Wenn Lord Ido die Bibliothek absperrte, musste sie etwas Wichtiges enthalten. Und nun war er einige Tage verreist …
»Drachenmist.« Dillon ging schneller. »Meister Tellon ist aus dem Saal gekommen, um nach uns Ausschau zu halten.«
Ein Hüne in ausgebeultem Gewand stand auf der Schwelle der Übungshalle und beobachtete uns. Ich wollte schneller gehen, doch meine übel zugerichteten Rippen und meine schmerzende Hüfte ließen das nicht zu. Ich erstieg die Stufen der niedrigen Veranda, und Meister Tellons musternder Blick gab mir das Gefühl, noch ungeschickter zu sein als sonst.
»Ihr habt zu viel Mondenergie«, sagte er und trat beiseite, um mich einzulassen.
Dass er mich auf den ersten Blick derart durchschaut hatte, ließ mich innerlich erstarren.
»Aber schließlich seid Ihr auch ein Mondschatten«, fügte er hinzu und nickte in sich hinein.
Dillon verzog vor Wut das Gesicht. »Wie könnt Ihr es wagen, Lord Eons Opfer zu erwähnen?«
Tellon blickte auf ihn herunter. »Und Ihr habt zu viel Sonnenenergie«, erwiderte er ruhig.
Dillon trat einen Schritt zurück. Offenbar hatte der Schreck über seine Unhöflichkeit den Zorn verrauchen lassen. Ich schluckte, um die Panik in meiner Kehle zu lösen. Mein Meister hatte mich vor Tellons scharfem Auge gewarnt. Ich würde mein Eunuchendasein bei jeder Gelegenheit betonen und hoffen müssen, dass seine Beobachtungsgabe ihn nicht zu anderen Schlüssen kommen ließ.
Tellon verbeugte sich vor mir auf beinahe lässige Art. »Verzeiht, Lord Eon. Ich habe nicht respektlos erscheinen wollen. Auch Euch gegenüber nicht, Lehrling. Ich bin ein alter Mann und habe die Angewohnheit, zu sagen, was ich denke.«
»Ich nehme Euch das nicht übel, Meister Tellon«, sagte ich rasch. »Ich bin schließlich ein Mondschatten, und die Wahrheit festzustellen, ist nicht verwerflich. Außerdem bin ich es, der sich für seine Verspätung entschuldigen muss.«
Ich streifte meine Schlüpfschuhe ab und trat über die Schwelle, um jede weitere Debatte zu beenden. Das polierte Parkett des großen Saals wies viele Vertiefungen und abgewetzte Stellen auf. Durch eine Reihe kleiner, hoch oben angebrachter Fenster fiel Sonnenlicht herein.
Meister Tellon schloss die massive Tür und winkte uns in die Mitte des Saals. »Kommt, setzt euch«, sagte er. »Wir reden erst miteinander und beginnen dann mit den Übungen.«
Dillon setzte sich schnell auf den harten Boden und kreuzte die Beine. Ich hatte ihm dabei zugesehen, und als ich mich neben ihm niederließ, versuchte ich, seine lässige Haltung nachzuahmen. Ich hatte gedacht, vier Jahre sorgfältiger Selbstbeobachtung hätten dafür gesorgt, dass ich mich nicht mehr so elegant und zurückhaltend wie ein Mädchen bewegte. Nun allerdings war ich mir dessen nicht mehr so sicher und konnte mir nicht leisten, Tellons Misstrauen zu erregen.
Er kniete sich geschmeidig uns gegenüber. Tellon war einen Kreislauf vor meinem Meister Hundedrachenauge gewesen, doch trotz seines Alters bewegte er sich mit größerer Leichtigkeit als Dillon. Er hatte eine natürliche Tonsur, doch sein Haarkranz wies noch immer so viele schwarze wie silberne Strähnen auf und wuchs so üppig, dass er zu einem dicken Zopf geflochten war, der ihm beinahe bis zum Hintern reichte.
»Ich bin keiner von den Lehrern, die der Ansicht sind, ein Schüler solle wie ein Stein dasitzen und nur zuhören«, erklärte er. »Ihr dürft Fragen stellen. Offen gesagt erwarte ich das sogar.«
Dillon sah mir in die Augen. Keiner unserer Meister hatte je Fragen
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