Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachentränen

Drachentränen

Titel: Drachentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
erstarrt sein und nicht mitbekommen haben, was wir seitdem gemacht haben.«
    Praktisch gleichzeitig blickten er und Connie zurück, um die totenstille Straße hinter ihnen zu beobachten, beide gleichermaßen über die unnatürliche Ruhe besorgt. In James Ordegards Schlafzimmer war Ticktack erstaunlich leise hinter ihnen aufgetaucht, und sie hatten schmerzhaft dafür bezahlen müssen, dass sie nicht mit ihm gerechnet hatten. Jetzt war zwar noch nichts von ihm zu sehen, doch Harry war sicher, dass er kommen würde.
    Connie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Gruppe in der Bar zu und klopfte mit den Knöcheln gegen eine Glasscheibe. Es gab ein leicht blechernes Geräusch, das sich von dem richtigen Geräusch von Knöcheln gegen Glas in dem geringfügigen, aber doch hörbaren Maß unterschied, wie sich ihre derzeitigen Stimmen von ihren wirklichen unterschieden.
    Die Zuschauer reagierten nicht.
    Harry kamen sie noch sicherer eingesperrt vor als der isolierteste Mann in der tiefsten Zelle im schlimmsten Polizeistaat der Welt. Wie Fliegen in Bernstein waren sie in einem unbedeutenden Augenblick ihres Lebens eingeschlossen worden. Es lag eine ungeheure Verwundbarkeit in ihrem hilflosen Schwebezustand und ihrer glückseligen Ahnungslosigkeit darüber.
    Auch wenn sie ganz bestimmt nichts davon merkten, jagte der Zustand, in dem sie sich befanden, Harry ein Frösteln den Rücken hinunter. Er rieb sich den Nacken, um ihn zu wärmen.
    »Wenn sie uns immer noch dort auf dem Bürgersteig sehen«, sagte Connie, »was passiert dann, wenn wir von hier weggehen und dann alles wieder losgeht?«
    »Ich nehme an, für sie wird das so aussehen, als hätten wir uns vor ihren Augen in Luft aufgelöst.«
    »Mein Gott.«
    »Das wird ihnen einen ganz schönen Schock versetzen.«
    Sie wandte sich vom Fenster ab und sah ihm ins Gesicht. Sorgenfalten zerfurchten ihre Stirn. Ihre dunklen Augen wirkten gehetzt, und ihre Stimme war auf eine Weise düster, die man nicht ausschließlich auf die Veränderung in Ton und Stimmlage zurückführen konnte. »Harry, dieser Scheißkerl ist nicht bloß ein Löffel verbiegender, die Zukunft vorhersagender, fingerfertiger Salonzauberer aus Las Vegas.«
    »Wir wissen bereits, dass er wirkliche Macht hat.«
    »Macht?«
    »Ja.«
    »Harry, das ist mehr als Macht. Das Wort ist einfach nicht genug, hörst du?«
    »Ich höre dich«, sagte er beschwichtigend.
    »Durch reine Willenskraft kann er die Zeit anhalten, den Motor der Welt stoppen, die Gänge blockieren und tun, was zum Teufel auch immer er getan hat. Das ist mehr als Macht. Das heißt… Gott sein. Was für eine Chance haben wir gegen so jemanden?«
    »Wir haben eine Chance.«
    »Was für eine Chance? Wie?«
    »Wir haben eine Chance«, beharrte er stur.
    »Wirklich? Ich glaube dieser Kerl kann uns, wann immer er will, wie Wanzen zerquetschen, und er zögert das nur hinaus, weil er Wanzen gerne leiden sieht.«
    »Du hörst dich gar nicht wie die Connie Gulliver an, die ich kenne«, sagte Harry schärfer als beabsichtigt.
    »Nun vielleicht bin ich das nicht.« Sie steckte ihren Daumen in den Mund und biss mit den Zähnen ein halbmondförmiges Stück Nagel ab.
    Er hatte sie noch nie an den Nägeln kauen gesehen, und er war über dieses Zeichen von Nervosität fast so erstaunt, als ob sie weinend zusammengebrochen wäre.
    Sie sagte: »Vielleicht hab’ ich versucht, auf einer Welle zu reiten, die zu groß für mich war, bin übel abgestürzt und hab’ den Mut verloren.«
    Es war Harry unbegreiflich, dass Connie Gulliver überhaupt wegen irgendwas den Mut verlieren konnte, nicht einmal wegen etwas so Seltsamem und Beängstigendem, wie es ihnen gerade widerfuhr. Wie konnte sie ihren Mut verlieren, wo sie doch nur aus Mut bestand, etwa hundert Pfund reinem Mut?
    Sie wandte sich von ihm ab, ließ ihren Blick wieder über die Straße gleiten, ging zu ein paar Azaleensträuchern, teilte sie mit einer Hand und sah den Hund, der sich dort versteckt hatte. »Die fühlen sich nicht ganz wie Blätter an. Steifer. Eher wie dünne Pappe.«
    Er ging zu ihr, beugte sich hinunter und streichelte den Hund, den die Pause ebenso hatte erstarren lassen wie die Gäste in der Bar. »Sein Fell fühlt sich an wie feiner Draht.«
    »Ich glaube, er wollte uns irgendwas sagen.«
    »Das glaube ich auch. Jedenfalls jetzt.«
    »Denn er wusste ganz bestimmt, dass irgendwas passieren würde, als er sich unter diesen Sträuchern versteckte.«
    Harry erinnerte sich an den Gedanken, den er auf

Weitere Kostenlose Bücher