Drachenwacht: Roman (German Edition)
ein Prozess?«, fragte Temeraire verwirrt.
»Na, wegen der Sklaven«, antwortete sie, »die wir in Afrika befreit haben. Diese Sklavenbesitzer, die wir mit zurückgenommen haben, haben den Kapitän verklagt, und ich gehe davon aus, dass er die Sache nicht richtig verfolgen konnte, weil er ja im Gefängnis saß. So haben sie sein ganzes Vermögen beschlagnahmt.«
»Beschlagnahmt ?«, wiederholte Temeraire, der Mühe hatte, seinen Schwanz unter Kontrolle zu bekommen, der zucken und auf den Boden trommeln wollte. »Aber doch sicher nicht sein gesamtes Kapital, oder?«, fragte er mühsam beherrscht.
»Ich hörte zehntausend Pfund oder etwas in dieser Größenordnung«, entgegnete Emily.
»Zehntausend Pfund!«, schrie Gentius entsetzt auf. Er riss den Kopf vom Boden hoch, sodass der Schlamm ekelerregend quietschte. »Zehntausend Pfund? Sie haben nichts davon gesagt, dass zehntausend Pfund weg sind. Nun, das sind zehn dieser Adlerstandarten, oder sogar noch mehr.« Ein fassungsloses Gemurmel erhob sich; selbst Maximus und Lily zuckten zusammen und wichen Temeraires Blicken aus. Temeraire fühlte sich ganz schwindlig, beinahe krank. Laurence hatte vorher nichts davon gesagt; er hatte ihm verschwiegen, dass ihm sein ganzer Schatz genommen werden würde, versuchte sich Temeraire einzureden. Aber das wirkte wie eine fadenscheinige und schwache Entschuldigung. Er öffnete das Maul, um dies den anderen mitzuteilen, schloss es jedoch wortlos gleich wieder. Er hatte sich einfach nicht die Mühe gemacht, es von sich aus herauszufinden. Hier stand er nun, selbst ein Kommodore, der mit seinen Juwelen und seinen beiden Epauletten angab, während Laurence nichts mehr besaß außer einem schlichten Mantel, der jeden Tag schäbiger wurde.
»Zehntausend Pfund«, sagte Gentius noch einmal bedächtig und
schüttelte immer wieder den Kopf. »Da hast du aber einen ganz schönen Schlamassel angerichtet«, woraufhin Temeraire sich niederkauerte und fand, dass er die Schelte wirklich verdient hatte.
»Aber wenn wir das Heilmittel nicht hinübergebracht hätten«, sagte er sehr kleinlaut, »dann wären viele Drachen wohl gestorben, selbst jene, die überhaupt nichts mit dem Krieg oder mit Frankreich zu tun haben. Unsere Tat kann also nicht falsch gewesen sein.«
»Wenn du mich fragst«, begann Perscitia einen Augenblick später, »dann hätten dir die Franzosen einen Schatz als Ausgleich geben sollen, da ihr ihnen ja schließlich einen guten Dienst erwiesen habt. Nun ja, vielleicht nicht direkt einen Dienst«, schränkte sie ein, »aber sie haben einen großen Nutzen davon gehabt. Ich halte nicht viel von ihnen, wenn sie euch hinterher schlechter als vorher dastehen lassen, obwohl ihr ihnen überhaupt nicht hättet helfen müssen.«
»Hm«, sagte Temeraire und sah sich gezwungen zuzugeben, dass solch ein Angebot erfolgt war, und ein ausgesprochen großzügiges noch dazu. »Aber Laurence hat abgelehnt, weil es dann noch größerer Verrat gewesen wäre«, schloss er.
»Ich verstehe nicht, wie es die Sache noch schlimmer hätte machen können, einen Schatz anzunehmen, nachdem man den Verrat nun schon mal begangen hatte«, warf Chalcedony ein. »Schließlich ist es doch der Feind, und wenn die Franzosen euch einen Schatz überlassen hätten, hätten sie weniger besessen, und das wäre schlechter für sie. Also wenn ihr mich fragt, hätte es den Verrat völlig ausgeglichen, wenn ihr etwas angenommen hättet.« Temeraire leuchtete dieser Punkt ein und er wünschte sich sehr, er wäre seinerzeit selber darauf gekommen.
»Ich habe damals einfach nicht richtig begriffen, dass Laurence sein Vermögen verlieren würde«, gab Temeraire unglücklich zu, »also dachte ich, es wäre nicht so furchtbar wichtig.«
»Nun, nun, du bist eben noch ein junger Spund«, sagte Gentius einlenkend. »Und du hast ja auch noch Zeit, die Dinge wieder geradezubiegen. Gewinne ein paar Schlachten, erbeute einige Prisen dabei,
und am Ende wird alles gut. Die Regierung wird euch schon dafür belohnen, wenn du nur heldenhaft genug bist.«
»Aber ich war schon sehr heldenhaft«, protestierte Temeraire, »und sie waren kein bisschen entgegenkommend; sie haben sogar versucht, mir Laurence wegzunehmen.«
»Dann war es nicht die richtige Art von Heldentum«, erklärte Gentius. »Du musst Schlachten gewinnen, das ist der richtige Weg. So wurde meine erste Kapitänin ernannt, musst du wissen. Sie haben damals die Kapitäninnen von Langflüglern nicht als vollwertige Kapitäne
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