Drachenwacht: Roman (German Edition)
eigenen Wünschen zu gestalten. »Dann bin ich froh, dass wir Schiffskameraden sind«, sagte Laurence. Weiter traute er sich nicht, seine Gefühle preiszugeben, ohne sich selbst oder andere zu beschämen.
Riley kam erst spät an Bord, grimmig und allein, als die Flut bereits gegen die Seiten des Schiffes schlug; natürlich kam er nicht, um Laurence zu begrüßen, aber er sagte auch nichts zu den anderen beiden Kapitänen oder zu Tharkay, der sein Gast war. Stattdessen verschwand er sofort in seiner Kabine und kam nur heraus, um den Anker zu lichten und die Segel zu setzen, ehe er sich wieder zurückzog. Purbeck verstand seine Arbeit, und es gelang ihm, trotz seiner linkischen, unerfahrenen Mannschaft, nur mit knappen Anweisungen das Schiff aus dem Hafen zu bringen. Und dann ließen sie die dunklen Gewässer des Kanals hinter sich zurück.
Temeraire lugte über den Rand, beobachtete die dahinrollenden Wellen und sagte zu Laurence: »Ich wünschte nur, ich wüsste, wie Lien das gemacht hat. Vielleicht könnte ich ein bisschen üben, um es herauszufinden?« Aber Laurence setzte alles daran, ihn davon zu
überzeugen, es sein zu lassen, auch wenn Temeraire beteuerte, er würde die Wellen nur vom Schiff weg lenken. Trotzdem glaubte Laurence nicht, dass das Riley oder den Seemännern gefallen würde.
Temeraire seufzte und legte sich wieder hin. Es war schlimm genug, wieder eine so lange Seereise vor sich zu haben, während all seine Freunde Pavillons bauten und schon bald ihre Bezahlung erhalten würden. Schlimmer noch war es, in ein so fremdes und ungastliches Land geschickt zu werden, in dem es gar keine Drachen gab. Er war sich sicher, dass schon einige Drachen dorthin ausgewandert wären, wenn es denn angenehm dort wäre. So jedoch stellte er es sich entsetzlich vor, und er machte sich besonders Sorgen um die Eier. Nicht, dass er zulassen würde, dass ihnen irgendetwas zustieße, aber es war eine große Verantwortung, und dann war nicht mal ein einziges Ei davon sein eigenes. Das kam ihm nicht fair vor.
»Wird es lange dauern?«, fragte er Laurence am nächsten Morgen, denn er fühlte sich schon ganz entmutigt von der Gleichförmigkeit des Horizonts. Er war trübsinnig, aber nicht wirklich überrascht, als er hörte, dass sie sieben Monate oder länger segeln würden.
»Wir müssen in Gibraltar und St. Helena anlegen«, erklärte Laurence, »da wir nicht mehr an der Kapküste landen können. Der nächste Landgang wird vermutlich wieder in Neu-Amsterdam sein.«
»Und du bist dir sicher, dass wir nicht einfach nach China fahren können?«, fragte Temeraire. »Wir könnten über Land fliegen …« Aber dazu war Laurence nicht bereit.
»Ich will kein Märtyrer sein«, sagte er, »aber ein Gesetz muss für alle gelten. Für mich ist es bereits sehr gedehnt worden, und für dich auch, wie wenig gern auch immer dies geschehen ist. Unsere Taten mögen gerechtfertigt sein, aber ich kann nicht einfach vergessen, dass andere, die sich auf unsere Loyalität und unseren Dienst verlassen haben, darunter gelitten und unsere Feinde davon profitiert haben. Wir hinterlassen England sicherer als zuvor und Gott sei Dank wieder frei; also muss ich mir selber keine Vorwürfe machen. Aber ich werde mit Freuden jede ehrliche Arbeit verrichten, die ich
in Englands Dienst finden kann, um etwas zurückzuzahlen, selbst wenn es nur indirekt geschehen kann.«
Temeraire hätte vehement widersprochen, wenn jemand anders angedeutet hätte, dass Laurence England noch mehr schuldete, als er bereits gegeben hatte, aber er konnte nicht gut mit Laurence über dieses Thema streiten, selbst wenn er es gewollt hätte, wo er doch Laurence ebenfalls etwas schuldete. Er wünschte sich nur, dass sie nicht so weit weg geschickt werden würden. Die Tage begannen schon jetzt, sich unerträglich dahinzuschleppen.
»Drachen, zwei Grad Backbord achtern«, schrie ein Ausguck, und Temeraire erhob sich hoffnungsvoll. Vielleicht würde es eine Schlacht geben, oder vielleicht wäre es Volly, der ihnen hinterherkam, um sie nach England zurückzurufen; oder Maximus und Lily, die ihnen Gesellschaft leisten wollten, sodass sie alle gemeinsam gehen würden.
»Aber es ist keiner von ihnen, es ist Iskierka«, sagte er verstimmt, als sie nahe genug gekommen war, sodass er die schmale Dampfwolke sehen konnte, die sie hinter sich herzog. Sie flog etwas schleppend und müde und landete schwerfällig auf dem Drachendeck. Nicht einmal das volle Geschirr hatte sie angelegt,
Weitere Kostenlose Bücher