Drachenwächter - Die Prophezeiung
sterblich und voller Gefühle. «
Der Ettanin vor Seld sprang plötzlich in die Höhe und entschwand mit kräftigen Flügelschlägen wieder im Nebel. Seld wendete sich wieder dem Drachen zu – und bemerkte, dass er nun an einem anderen Ort war, zu einer anderen Zeit.
Jetzt stand er in einer der Hallen der Drachenspitze. In allen Zellen an den Wänden saßen Drachen, während auf dem Boden ein Durcheinander aus Menschen herrschte, die offenbar in diesem Felsen lebten. Seld ging in einen der Gänge, durch den Licht hereinfiel, denn dort hatte er den kristallenen Drachen gesehen, und als er am Rand des Felsens ankam, eröffnete sich ihm ein Blick über eine weitgestreckte Siedlung am Fuß der Drachenspitze, die aus gewaltigen Gebäuden bestand, die sowohl für Menschen wie auch für Drachen errichtet schienen.
» Drachen und Menschen lebten lange Zeit gemeinsam in Frieden, gaben dem anderen, was sie selbst nicht mehr besaßen. Die Drachen teilten ihr Wissen, die Menschen ihre Gefühle. Hier in der Drachenspitze waren die Geister für immer miteinander verschmolzen.
Doch zu viel Wissen kann gefährlich sein. «
In dem Raum, aus dem Seld gekommen war, erhob sich ein Tumult. Menschen und Drachen schrieen durcheinander und drangen zurück. Seld eilte nach vorne, bahnte sich seinen Weg durch die Menschenmenge.
In der Mitte des Raums wälzte sich ein Drache auf dem Boden, schlug wild mit seinen Klauen und spie Feuerfontänen in die Luft.
» Ein Drache war nicht mehr bereit, sein Wissen mit den kurzlebigen Menschen zu teilen, und er weigerte sich, deren Gefühle auf sich wirken zu lassen. Er verschloss seinen Geist, nicht nur vor den Menschen, auch vor anderen Drachen. «
Nun veränderten sich die Flammen, die der Drache ausstieß – sie wurden blau. Die goldenen Schuppen verloren Glanz und Farbe. Und schließlich war der Drache schwarz. Er hörte auf, sich herumzuwälzen, und stellte sich auf seine Pranken. Seine roten Augen glitten über die Herumstehenden und blieben lange an Seld hängen. Dann sprang der Dämon in die Höhe und verschwand durch eines der Löcher in den Wänden.
» Dies war der erste Dämon, und bald folgten ihm andere nach, die ebenso ihr Wissen nicht teilen wollten. Wie eine Epidemie griff es um sich, und die Dämonen sammelten sich auf den Bergen zwischen der Drachenspitze und dem Meer.
Drachen und Menschen erkannten, dass die Wesensveränderung nicht aufzuhalten war. Irgendwann würden sich alle Drachen in Dämonen verwandelt haben. Nur wenn sie verhinderten, dass die Dämonen geweckt wurden, die in den Drachen schliefen, könnten sie alle überleben. Und so beschlossen sie, dass die Menschen weit weg von den Drachen leben mussten, damit die Drachen ihr Wissen allein für sich hatten. So verließen die Menschen dieses Land und ließen sich an dem Ort nieder, den sie Derod nannten – das Wort für Einsamkeit in der alten Sprache. «
Nun stand Seld auf einem Feld vor Klüch. Die Stadt war kleiner, als er sie in Erinnerung hatte, und da wurde Seld klar, dass sie noch nicht einmal über die erste Stadtmauer hinaus gewachsen war. Zu seiner Zeit war der Ort, an dem er gerade mit dem kristallenen Drachen stand, längst mit Gebäuden bebaut.
» Doch damit hatten Drachen, Dämonen und Menschen keinen Frieden gefunden. Die Zahl der Dämonen war so weit angestiegen, dass es fast genauso viele wie Drachen gab. Und sie waren nicht bereit, auch nur die gleiche Welt mit den sterblichen Menschen zu teilen. «
Am Horizont über dem Meer machte Seld eine Schwärze aus, die ihm bekannt war.
» Die Dämonen griffen Derod an, um alle Menschen zu töten, doch die Drachen verhinderten dies. «
Geheul, Fauchen, Feuer – Seld und der kristallene Drache standen auf einem Hügel, von dem sie in ein Tal hinabblicken konnten, in dem Drachen und Dämonen um das Schicksal der Menschen kämpften. Hinter Seld befand sich eine Ebene, durch die der Heke nach Klüch floss.
» Aus einer drei Tage und drei Nächte währenden Schlacht gingen die Drachen als Sieger hervor und trieben die letzten Dämonen hinter die Koan-Berge. Dort auf den Bergen ließen sich nun viele der Drachen nieder, um darüber zu wachen, dass kein Dämon jemals wieder einen Menschen angriff. «
Die Koan-Berge – Seld sah ihre vertrauten Umrisse. Er schaute, ob er Hequis entdeckte, doch er war an diesem Ort zu einer vergangenen Zeit , und das Dorf gab es noch nicht. Über den Bergen kreisten unzählige Drachen, und auf den Plateaus konnte Seld
Weitere Kostenlose Bücher