Drachenwächter - Die Prophezeiung
»Unsere Vorfahren stammen von dort. Kommt mit mir.« Ark und Mesala schlossen sich Seld an, während Wod zum Schiff zurückruderte, damit alle anderen an Land kamen. Seld warf noch einen Blick zu dem goldenen Drachen hinüber, bevor er dem Vorsteher dieser Siedlung folgte.
Der Drache hatte sich nicht gerührt.
Die Einwohner dieses Landes verteilten sich wieder in ihre Häuser, und Seld, Ark und Mesala schritten mit Ker Utum zu dem großen Gebäude. »Die anderen Drachen sind von hier weitergeflogen?«, fragte Seld.
»Ja«, antwortete Ker Utum. »Vor einigen Tagen kamen sie zu unseren Gestaden. Sie landeten am Strand, und kurz darauf erhoben sie sich wieder in die Lüfte und flogen in Richtung der Berge. Nur dieser eine Drache blieb zurück – als wartete er auf etwas ... oder jemanden.«
»Wisst Ihr, was sich hinter den Bergen befindet?«
Ein Blick streifte Seld. »Ihr habt es sehr eilig. Was habt Ihr mit den Drachen zu tun?«
»Wenn Eure Vorfahren aus Derod stammen, habt Ihr sicher von den Dämonen gehört.«
»Ja. Sie sind auf dem Weg hierher.«
Seld blieb stehen und starrte Ker Utum an. »Wie könnt Ihr davon wissen? Seht Ihr Dinge, die –«
Der Mann hob eine Hand. »Ich sagte, dass es viel zu erzählen gibt. Versammeln wir uns in der Großen Halle. Dann wird geredet.« Inzwischen waren sie bei dem Gebäude angekommen. Ker Utum ging die drei Stufen zum Portal hinauf und zog es auf.
Das Gebäude war nicht mehrstöckig, wie Seld gedacht hatte, sondern bestand aus einer einzigen hohen Halle, deren Holzdecke von dicken Steinsäulen gehalten wurde. Es erinnerte an die vergangene Gelehrtenstätte in Klüch.
Fackeln und Kandelaber wurden entzündet, die Tische wurden gedeckt, Fässer angestochen und Fleisch gebraten. Die ganze Besatzung der Ambria war bis zum Einbruch der Dunkelheit an Land gekommen und hatte sich in die Halle begeben, doch niemand hatte die Valant verlassen.
Die Köstlichkeiten, die den Hequisern an diesem Abend feilgeboten wurden, weckten bald eine Fröhlichkeit, die während der langen Seereise verloren gegangen zu sein schien. Die Einheimischen deckten die Tische mit gebratenem Fleisch, fremdartigen süßen Früchten und füllten die Kelche mit einer herben, dunklen Flüssigkeit, die ähnlich wie der Wein aus den Nordländern Derods mundete. Ein Trinkspruch nach dem anderen wurde von den Hequisern ausgerufen, und die Einheimischen, die sich bald unter die Gäste gemischt hatten, bedienten sich von der Tafel und scherzten mit den Hequisern.
Seld saß neben Ker und nagte Fleisch von einem Knochen ab. »Es gibt kaum Worte, mit denen wir Euch für diesen Empfang danken können«, sagte er zwischen zwei Bissen.
Ker lächelte. »Dies ist ein wichtiger Tag für uns. Es ist bisher noch nicht geschehen, dass andere Deroder nach Taheff kamen.«
»Taheff – das ist der Name dieses Landes?«
Ker nickte und nahm einen Schluck. »Es ist der Name, den unsere Vorfahren gewählt haben.«
»Warum haben Eure Vorfahren ihre Heimat verlassen?«
»Sie sind vor einem schrecklichen Herrscher geflohen, der Derod knechtete. Er hatte den König getötet und in den Dörfern des Landes die Vorsteher hinrichten lassen.«
»Wisst Ihr, wie er hieß?«
»Sein Name war Vered Herut.«
»Der Begründer der Herut-Dynastie ...«
Das letzte Wort schien Ker wie ein Faustschlag zu treffen. »Er hat eine Dynastie begründet? Hat sich das Volk nicht aufgelehnt?«
»All dies ist viele Jahre her. Es ist überliefert, dass Vered Herut beim Volk beliebt war und eine Ära des Friedens begann.«
»Hätte er meine Vorfahren gefangen genommen, wären sie hingerichtet worden. Und seine Söhne haben in den folgenden Jahren die Macht weitergereicht? Regieren sie noch immer?«
Seld schüttelte den Kopf. »Unser Herrscher heißt Talut Bas. Er befindet sich auf dem anderen Schiff, auf der Valant.«
»Der Herrscher von Derod ist hier?«, entfuhr es Ker.
»Ja, aber er hat sich auf seinem Schiff zurückgezogen«, beschwichtigte Seld. »Wir sind auf der Flucht. Er ist kein Herrscher mehr.« Seld erzählte, welcher Weg ihn nach Taheff geführt hatte – von den Drachen, die die Koan-Berge verlassen hatten, von der langen Reise und von der Zerstörung Klüchs.
Ker folgte den Worten, ohne dass sich eine Regung in seiner Miene zeigte. »Unsere Vorfahren haben die Legenden überliefert, die von Drachen und Dämonen erzählen«, sagte er schließlich. »Doch hier in Taheff haben wir mehr über die Drachen gelernt, als in ihren
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