Drachenwege
sah seinen Wachwher beinahe ehrfürchtig an. Er beugte sich über ihn und flüsterte: »Sag, Kisk, kannst du dich auch Gaminth mitteilen?«
M'tal biss sich auf die Lippe, als ihm klar wurde, welche Möglichkeiten sich unter Umständen hier auf-taten. »Das muss auf jeden Fall näher erforscht werden«, stellte er resolut fest.
»Wenn Wachwhere mit Drachen kommunizieren
können, hieße das, sie seien in der Lage, Botschaften zu verstehen und welche abzusenden«, sagte Meister Zist.
»Das wäre ein unglaublicher Vorteil, von dem Wachwhere, Drachen und Menschen gleichermaßen profitieren könnten.«
»Darüber muss ich in Ruhe nachdenken«, erwiderte
der Weyrführer. Energisch schlug er sich mit der Hand auf seinen Schenkel. »Zist, Kindan - wenn ihr nichts dagegen habt, würde ich über dieses Thema gern mit ein paar Bekannten sprechen. Vielleicht ist das der Weg, mehr über Wachwhere zu erfahren. Einer kann dem anderen helfen.«
»Du hast freie Hand, M'tal«, versicherte Meister Zist.
»Ich habe ebenfalls keine Einwände, Weyrführer«,
sagte Kindan.
»Danke«, erwiderte M'tal. »Jetzt muss ich mich von euch verabschieden, aber ich komme so bald wie möglich zurück. Vielleicht sogar in Begleitung.«
Mit diesen Worten entfernte er sich.
*
»Warum habt ihr mir nicht Bescheid gesagt!«,
schimpfte Nuella am nächsten Morgen. Kindan wTar
immer noch nicht ganz wach, denn Kisk hatte ihn die ganze Nacht über auf Trab gehalten und war erst bei Tagesanbruch müde geworden.
»Es ging alles so schnell«, verteidigte sich der Junge.
»Lord M'tal traf hier ein und kam direkt zu uns in den Schuppen. Er sah sich Kisk an, wir wechselten ein paar Worte, und dann war er wieder fort.«
»Hmmm!« Nuella war mit dieser Antwort alles andere als zufrieden. »Und jetzt möchtest du, dass ich noch einmal mit dir in die Mine gehe. Warum sollte ich dir einen Gefallen tun?«
»Du hattest es mir doch angeboten«, erwiderte er und wünschte sich, Nuella möge aufhören zu schmollen.
Schon bald ging sein Wunsch in Erfüllung. Eine Zeit lang trommelte das Mädchen mit den Fingern auf ihrem Oberschenkel, dann stieß sie einen Seufzer aus. »Na schön«, lenkte sie ein. »Aber ich tue es nur, weil Kisk das Training unter Tage braucht. Und du musst mir in allen Einzelheiten erzählen, was M'tal gestern Nacht gesagt hat.«
Kindan begann mit seiner Schilderung, doch ständig unterbrach Nuella ihn mit Fragen. Er merkte, dass sie nicht nur eine aufmerksame Zuhörerin war, sondern jemanden obendrein meisterhaft auszuforschen verstand. Mit ihrer Fragerei förderte sie Dinge zutage, die er bereits halb vergessen oder als unwichtig eingestuft hatte. Sie brachte ihn dazu, das Gespräch mit dem Weyrführer in einem anderen Licht zu sehen und über Probleme nachzudenken, die er sonst nicht beachtet hätte.
»Gut, jetzt weiß ich alles«, beschied sie ihn, stand auf und klopfte sich Staub und Stroh von der Kleidung.
»Wir treffen uns heute Abend bei mir zu Hause, nach meinem Unterricht bei Meister Zist.«
»Heute Abend schon?«
»Ja«, sagte sie. »Dalor holt dich an der Tür ab und schmuggelt dich in die zweite Etage.«
»Ach, dann hast du ihn also in unseren Ausflug eingeweiht? Und er hat nichts dagegen?«
»Er würde sich hüten, uns daran zu hindern, den
Geheimgang zu benutzen. Ich habe ihn nämlich ganz
schön unter Druck gesetzt, gewissermaßen regelrecht erpresst«, gab sie mit einem kleinen Kichern zu. »Ich weiß nämlich, in welches Mädchen er verknallt ist.«
Kindans Augen weiteten sich vor Überraschung, dann kniff er sie zu schmalen Schlitzen zusammen. Er vergegenwärtigte sich, dass Dalor zu einem strammen jungen Burschen herangewachsen war, der durch die harte körperliche Arbeit Muskeln bekommen hatte.
Kindan selbst befand sich in einem Stadium, in dem er kein Kind mehr war, aber auch noch nicht als Erwachsener durchging. Er fühlte sich oftmals linkisch, und sein Stimmbruch machte ihm zu schaffen. In gewisser Hinsicht war er froh, dass Kisk ihn so beschäftigt hielt und er seine Gesangausbildung bei Meister Zist hatte unterbrechen müssen.
»Dalor ist jetzt größer als ich«, fuhr Nuella in be-dauerndem Ton fort. »Mittlerweile ist es unmöglich geworden, dass ich mich für ihn ausgebe. Jeder würde es sofort merken.«
»Du hast dich auch verändert«, meinte Kindan.
»Selbst wenn du so groß wärst wie er, würde dich kein Mensch mehr für deinen Bruder halten.«
»Wie meinst du das? Sicher, seine Stimme ist
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