Drachenwege
Nutzen sein könnte.«
»Das darfst du nicht sagen, Nuella«, beschwichtigte Kindan das aufgeregte Mädchen. Kisk zirpte tröstend und watschelte zu Nuella hin, um den massigen Kopf an ihrer Schulter zu reiben. »Ohne dich hätte Kisk höchstens die Hälfte von dem gelernt, was sie mittlerweile kann. Du hast wertvolles Wissen beigesteuert, Nuella. Bald gehen wir in die Grube, wo Kisk richtig zum Einsatz kommt.«
Nuella schnaubte verächtlich durch die Nase und
unterbrach seinen Redeschwall. »Sicher, du gehst in die Mine, aber was wird aus mir? Womit soll ich mich dann beschäftigen? Heißt es dann, >Dankeschön, Nuella, du hast uns sehr geholfen, aber jetzt kannst du wieder in dein Zimmer zurückgehen und dich verstecken. Pass ja auf, dass dich keiner entdeckt! <« Beim letzten Wort klang ihre Stimme erstickt. Sie hockte sich ins Stroh und legte den Kopf auf die angewinkelten Knie.
Kindan wusste nicht, was er sagen sollte, und eine Zeit lang herrschte ein betretenes Schweigen. Endlich öffnete er den Mund, um irgendetwas zu sagen. Er sah, dass Nuella die Hand hob und den Kopf in die Richtung neigte, in der sich die mit einem Vorhang geschützte Tür befand.
»Wer immer du bist, komm ruhig rein«, rief sie mit lauter Stimme. »Du hast ohnehin schon zu viel gehört, jetzt darfst du auch noch den Rest erfahren.«
Nach einer kurzen Weile raschelte der Vorhang, und eine schmächtige Gestalt erschien im Dämmerlicht des Schuppens.
»Du siehst ja aus wie Dalor!«, platzte die unverhoffte Besucherin heraus. Es war Renna.
Nuella schnupperte mit bebenden Nasenflügeln, prüf-te den Duft, der von dem Mädchen ausging und nickte zufrieden. »Du musst Zenors Schwester sein«, sagte sie.
»Er riecht genauso wie du.«
»Es ist Renna«, bestätigte Kindan. Sein Blick huschte zwischen den beiden Mädchen hin und her. »Sag mal, solltest du nicht am Ausguck Wache halten?«
»Doch, ja, ich war für diese Stunde eingeteilt«, be-stätigte Renna. »Aber ich habe mit Jori getauscht.« Sie sah Nuella an. »Zufällig bekam ich mit, wie jemand die Festung verließ, und ...«
»Und du folgtest mir, weil du mich für Dalor hieltest, nicht wahr?«
Renna errötete bis unter die Haarwurzeln, und Kindan wusste, dass Nuella mitten ins Schwarze getroffen hatte. Er erinnerte sich, dass Nuella einmal Dalor dazu gebracht hatte, Kindan und sie in die Mine zu schmuggeln, indem sie ihm androhte, allen zu verraten, für welches Mädchen aus dem Camp er heimlich schwärmte. Damals sagte sie ihm auf den Kopf zu, sie wüsste, in wen er verknallt sei. Und nach Rennas Reaktion zu urteilen, beruhte dieses romantische Gefühl auf Gegenseitigkeit.
Plötzlich reckte Kisk den Hals, zirpte und stieß Kindan mit dem Kopf an. Der Junge schloss die Augen und konzentrierte sich; mittlerweile war er es gewöhnt, dass Kisk sich ihm in gedanklichen Bildern mitteilte.
»Es sind J'lantir und Lolanth«, verkündete Kindan
gleich darauf. Kisk flötete eine melodiöse Tonfolge.
Abermals kniff er die Augen zu und öffnete seinen
Geist für die Bilder, die der Wachwher ihm übermitteln wollte.
In seinem Kopf formten sich in rascher Folge Visionen. Er sah Regenbogenfarben, angeordnet in Form einer menschlichen Gestalt. Ein Arm schnellte nach vorn, hielt die Gestalt zurück. Der Mensch schüttelte den Arm ab und fing so schnell an zu rennen, dass die Konturen der Beine verschwammen. Einige Male stieß sich der Mensch den Kopf an einem Hindernis, dann bückte er sich, richtete sich wieder auf und setzte sich abermals in Trab. Kindan lächelte in sich hinein und er-klärte Nuella und Renna: »Gerade entschuldigt sich jemand dafür, dass er so spät kommt. Aber er will sich sputen.«
»Ein Drachenreiter?«, fragte Renna atemlos.
Kindan nickte.
»Und er kommt hierher?«
Wieder nickte der Junge.
»Jetzt gleich?«
»Er ist bereits eingetroffen«, verkündete J'lantir und trat in den Schuppen. Er stutzte, als er merkte, dass außer Nuella sich noch ein anderes Mädchen in dem Stall befand. Doch dann wandte er sich freudig an Nuella. »Wie ich sehe, ist dein Geheimnis gelüftet, und du brauchst dich nicht länger vor den Campbewohnern zu verstecken. Das ist sehr gut so. Und ich hatte schon Angst...«
»Moment mal, du missverstehst die Situation, J'lantir«, stellte Kindan richtig. »Ihr Geheimnis ist keineswegs gelüftet. Renna hat nur durch einen Zufall herausgefunden, wer Nuella ist.«
J'lantirs Stirn umwölkte sich. »Hmm, das ist schlecht.
Ich wäre schon
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