Drachenwege
sollten wir zwei jetzt in Natalons Festung gehen und eine Stärkung zu uns nehmen.«
J'lantir nickte. »Gern. Bei der Gelegenheit kann ich gleich den Steiger begrüßen.«
Meister Zist lachte. »Und ein paar wichtige Dinge
aufs Tapet bringen.« Ächzend rappelte er sich aus dem Stroh hoch, in dem er mit überkreuzten Beinen gesessen hatte. »Kindan, sorge bitte dafür, dass hier ein paar Stühle aufgestellt werden. Immer auf dem Fußboden zu hocken ist nichts für ältere Leute.«
»Außerdem ist es ziemlich kalt«, sagte Nuella. Sie hob ihr Gesicht und wandte sich an den Harfner.
»Möchtest du, dass ich mit euch komme?«
»Das wird nicht nötig sein«, lehnte Zist höflich ab.
Man sah ihr an, dass sie ihm gern zugestimmt hätte, doch nach kurzem Überlegen schüttelte sie den Kopf.
»Doch, es ist nötig«, widersprach sie. »Renna hat Recht.
Mit der Heimlichtuerei sollte endlich Schluss sein. Ich begleite euch.«
»Wie du willst«, entgegnete J'lantir und stand gleichfalls auf. »Bring uns zu deinem Vater.«
Meister Zist richtete das Wort an Renna. »Solltest du um diese Zeit nicht beim Ausguck sein?«
»Ich habe mit Jori getauscht«, sagte sie. »Sie schul-dete mir einen Gefallen.«
Der Harfner drohte ihr mit dem Finger. »Wenn du
keine anderen Pflichten hast, dann solltest du jetzt zu Bett gehen und ausschlafen. Es ist sehr spät geworden.
Morgen früh erwarte ich von dir, dass du munter und ausgeruht zum Schulunterricht erscheinst.«
»Vielleicht sollte ich einen Becher Klah mitbringen, der dich aufmuntert, Meister Zist«, gab sie keck zurück.
Der Harfner holte tief Luft und wollte zu einer Straf-predigt über den Mangel an guten Manieren loslegen, doch dann blies er den Atem wieder aus und nickte.
»Ich fürchte, Renna, morgen früh werde ich das Klah dringend brauchen.«
*
»Bist du bereit, Nuella?«, rief J'lantir dem Mädchen über die Schulter zu, als sie sich anschickten, ins Dazwischen zu gehen.
»Ein bisschen nervös bin ich schon«, räumte sie ein und klammerte sich mit festem Griff an den Drachenreiter.
Du brauchst keine Angst zu haben. Es ist nichts dabei, beruhigte sie Lolanth.
»Denk bitte daran, es dauert nicht länger als dreimal zu husten«, fügte J'lantir hinzu.
»Alles klar«, erwiderte Nuella. Einen Moment lang
tat sich gar nichts. Plötzlich spürte sie eine eisige Kälte, und sie fühlte sich losgelöst von allem Stofflichen, sogar ihrem eigenen Körper. Das ist ja höchst seltsam, schoss es ihr durch den Kopf. Sie kostete diesen Augenblick aus, und dann war er auch schon vorbei.
Nuella schöpfte einmal tief Atem, dann prüfte sie
schnuppernd die Luft. Hier roch es ganz anders als bei ihr zu Hause.
»Wir sind da«, verkündete J'lantir. »Du hast dich tapfer gehalten.«
»Ich fand's herrlich«, rief Nuella.
J'lantir lachte. »Die meisten Leute reagieren nicht mit Begeisterung, wenn sie das erste Mal ins Dazwischen eintauchen.«
Nuella festigte ihren Griff um den Drachenreiter, als Lolanth sich neigte und im Sinkflug nach unten kreiste.
Das Gefühl, zu fallen, erschreckte sie, doch sie hatte sich bereits wieder gefasst, ehe Lolanth ankündigte: Wir setzen zur Landung an. Es ist alles in Ordnung.
»Nuella, da bist du ja«, rief M'tal und eilte auf sie zu.
»Willkommen auf Burg Lemos.«
M'tal griff nach Nuellas Hand und half dem Mädchen beim Absitzen. Das Heruntersteigen von einem Drachen war einfacher, als sich hinauf zu schwingen, vor allem, wenn sie sich dabei auf M'tals starke Arme stützen konnte.
Sie fühlte J'lantirs Hand auf ihrer Schulter, als er von seinem Drachen sprang und neben ihr landete.
»Ich gehe voran«, erklärte M'tal und legte Nuellas Hand auf seinen Ellbogen; Meister Zist hatte ihr einmal erzählt, dass alle großen Lords eine Dame von Stand auf diese Weise begleiteten. Nuella errötete bei der Vorstellung, als Dame behandelt zu werden, und ließ sich dankbar von M'tal in die Festung führen.
»Der Harfner Inrion hat den hiesigen Burgherrn
davon überzeugt, den jungen Lord Darel und seine
Schwester, Lady Erla, zuschauen zu lassen, wie Lemosk trainiert wird«, erklärte M'tal, als sie die Treppe hinaufstiegen, die zur Großen Halle führte.
»Eigentlich sind es der alte Renilan und sein
Wachwher Resk, die von dir unterwiesen werden
müssen«, fügte J'lantir hinzu. »Vielleicht solltest du ein klärendes Gespräch mit dem Burgherrn führen, Nuella.«
Das Mädchen nickte. Zu ihrer Überraschung hatte ihr Vater keine Einwände
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