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Drachenwege

Drachenwege

Titel: Drachenwege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey
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niemand die Zeit gefunden, sie auszuwechseln.
    »Was ist los?«, fragte er, als er das Mädchen in einem der großen Sessel sitzen sah. Beim Klang seiner Stimme hob Nuella den Kopf.
    »Ich ... ich ... Meister Zist sollte mir Unterricht geben«, erwiderte Nuella mit zittriger Stimme. »Ich dachte mir, ich hätte mich vielleicht mit der Uhrzeit vertan, deshalb ging ich zur Festung zurück. Dort hörte ich, wie er sich mit jemandem unterhielt. Also kam ich wieder hierher.«
    »Ach, im Augenblick herrscht ein ziemliches
    Durcheinander, weil die Handelskarawane eingetroffen ist«, erläuterte Kindan.
    »Aber die Trommeln haben gar nichts angekündigt«,
    hielt Nuella ihm entgegen.
    »Vermutlich ist die Meldestation zur Zeit nicht besetzt«, mutmaßte Kindan. Die Meldestation, von der aus Trommelsignale gegeben wurden, lag auf halber Strecke zwischen der Festung Crom und Camp Natalon. »Ich war der erste, der die Wagen entdeckte, und von diesem Augenblick an bin ich als Kurier zwischen Meister Zist und deinem Vater hin und her gerannt.«
    »Aber ich habe gehört, wie Meister Zist mit einem
    Mädchen sprach«, wandte Nuella ein.
    »Das war Tarri. Sie führt die Handelskarawane an«, erklärte Kindan.
    »Wie, ein Mädchen darf den Beruf des Händlers ergreifen?«, staunte Nuella.
    Kindan zuckte die Achseln. »Warum nicht? Aber
    Tarri ist kein Mädchen mehr. Sie trägt bereits die Schulterknoten, die sie als Gesellin ihrer Zunft
    ausweisen.«
    Nuella zog die Nase hoch. »Milla sagt, ein Mädchen könne als Bäckerin arbeiten, wenn sie neben ihrer Aufgabe als Mutter noch etwas anderes unternehmen will.
    Sie meinte, das sei das Einzige, wozu Mädchen taugten.
    Zufällig hörte ich, wie sie sich mit meiner Mutter über dieses Thema unterhielt. Es klang, als würde sie sich beklagen.«
    »Ich verstehe nicht, warum sie jammert«, wunderte
    sich Kindan. »Sie ist doch eine ausgezeichnete
    Bäckerin.«
    »Mutter möchte das Baby auf den Namen Larissa
    taufen«, warf Nuella ein. »Sie macht sich Sorgen, ob das Baby mit gesunden Augen auf die Welt gekommen
    ist. Sie möchte nicht noch ein blindes Kind haben.«
    Kindan begriff, dass Nuella ihn in ihr Geheimnis einweihte.
    »Dem Baby fehlt bestimmt nichts«, entgegnete
    Kindan, indem er unbewusst Meister Zists Tonfall nach-ahmte. Nuella fiel seine gekünstelte Sprechweise auf und runzelte unmutig die Stirn.
    »Meine Mutter sagt, dass man bei einem Neugeborenen nie weiß, was es einmal für Krankheiten entwickelt«, belehrte sie ihn. »Manchmal dauert es mehrere Planetenumläufe, ehe ein Kind das Augenlicht verliert.«
    Sie biss sich nervös auf die Lippe, und dann platzte sie heraus: »Meine Augen waren gesund, bis ich drei
    Planetenumläufe alt war. Auf einmal... sah ich alles verschwommen. Und jetzt erkenne ich nur noch helle und dunkle Flecken ...«
    Mit einem Ausdruck der Entschlossenheit stand sie
    auf, orientierte sich im Raum, indem sie mit einer Hand die Wand berührte, dann ging sie zu Kindan, der an der Tür stand. »Meister Zist stellt seine Möbel nie um, sie stehen immer am selben Platz«, meinte sie anerkennend.
    »Ich weiß«, entgegnete Kindan. »Er schimpft mit
    mir, wenn ich mal irgendein Stück verrücke.«
    »Mein Vater hat Angst, was die Leute sagen werden, wenn sie von mir erfahren«, erklärte Nuella. »Deshalb war er ja so froh, als Tarik auszog. Cristov hätte um ein Haar etwas gemerkt.«
    »Aber wovor fürchtet sich dein Vater? Was kann
    denn schon passieren, wenn die Leute wissen, dass er eine blinde Tochter hat?«, erkundigte sich Kindan verdutzt.
    Nuella machte eine finstere Miene und schüttelte ärgerlich den Kopf. »Er befürchtet, man könnte uns aus der Gemeinschaft verstoßen.«
    »Euch verstoßen? Aber ihr habt doch nichts verbro—
    chen«, staunte Kindan, der nicht verstand, wieso Natalon überhaupt damit rechnete, bestraft zu werden. Nur auf Kapitalverbrechen stand die Höchststrafe - die Ächtung und das Exil.
    »Es ist nicht wortwörtlich gemeint«, klärte sie ihn auf. »Niemand denkt daran, uns tatsächlich in die Ver-bannung zu schicken. Aber die Leute würden uns meiden. Die Mutter meines Vaters war auch blind. Und wie du weißt, kommt es auf Pern nur sehr selten vor, dass jemand sein Augenlicht verliert.«
    Kindan nickte. »Ja, das ist mir bekannt.«
    »Nun ja«, fuhr Nuella fort. »Ich hörte meine Eltern oft darüber sprechen. Und meistens endeten diese
    Diskussionen in einem Streit. Mein Vater glaubt, die Leute würden sich fragen, ob mit

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