Drachenwege
langsam Zeit. Ich glaube, der Wher hat Hunger. Lauf ins Cottage und hol das Futter, ich bleibe derweil hier und passe auf.«
»Nuella?«, hauchte Kindan überrascht.
»Wer denn sonst?«, lautete die vergnügte Antwort.
»Nun mach schon, beeil dich. Der Wher wird unruhig.«
Kindan stürzte aus dem Schuppen und flitzte zum
Cottage des Harfners. Es war noch dunkel, nur am Horizont ließ ein fahler Streifen die Morgendämmerung ahnen. Er begab sich schnurstracks in die Küche, schür-te das Feuer im Herd und begann den Brei zu erhitzen.
»Wer ist da?«, rief Meister Zist ärgerlich aus seinem Zimmer.
»Ich bin's, Kindan. Ich bereite gerade frischen Brei für den Wachwher zu.«
»Ach so.« Kindan hörte, wie der Harfner von seinem Bett aufstand und nach Sachen zum Anziehen suchte.
»Und wer bewacht das Tier?«
»Nuella«, antwortete Kindan.
»Aha«, murmelte Meister Zist zerstreut. Es klang, als sei er immer noch nicht ganz wach. »Das ist gut.«
Kindan schmunzelte insgeheim und stöberte im Vor—
ratsschrank nach den Zutaten für Klah. »Ich brüh uns eine Kanne Klah auf«, sagte er.
»Gute Idee«, erwiderte Meister Zist und betrat die Küche. Dann stutzte er und blinzelte ein paarmal. »Hast du gesagt, Nuella sei bei dem Wachwher?«
Kindan nickte.
»Hmm. Das finde ich gar nicht gut. Was ist, wenn
etwas passiert?«
»Dann kann sie sich verstecken. Im Schuppen ist es so dunkel, dass man so schnell nichts erkennt«, meinte Kindan.
»Angenommen, ein Notfall tritt ein, und sie muss
Alarm schlagen?«, hielt der Harfner ihm entgegen.
Kindan setzte zu einer Antwort an, dann besann er
sich und nickte lediglich. »Ich verstehe, was du meinst.«
»Das freut mich«, entgegnete der Harfner ein wenig verärgert. »Lauf los und bitte Ima um eine Kanne voll Blut. Der Brei ist gleich heiß genug, um es unterzu-rühren.«
Als Ima endlich mit der Kanne Blut angezockelt kam, war Kindan vor Ungeduld ganz zappelig. So schnell wie möglich hetzte er zum Cottage zurück, wobei er beinahe das Blut verschüttet hätte. Keuchend vermischte er es dann mit dem Haferbrei und schleppte den Topf zum Stall des Wachwhers.
»Wo hast du gesteckt?«, zischelte Nuella ihm aufgeregt zu, als er in den Schuppen trat. »Das hat ja eine Ewigkeit gedauert.«
»Tut mir Leid, aber es ging nicht schneller«, japste Kindan.
»Du schnaufst, als wärst du die ganze Zeit über gerannt.«
»Das bin ich auch«, erwiderte Kindan und kippte das Gemisch aus Haferbrei und Blut in eine Schüssel, derweil der Wher aus seinem Schlummer erwachte.
Bei dem unangenehmen Geruch rümpfte Nuella die
Nase. »Weißt du, es ist schon reichlich merkwürdig, dass ein so schönes Tier etwas so Scheußliches frisst.«
»Woher willst du wissen, ob der Wher schön ist?«,
wunderte sich Kindan.
»Man sieht auch mit dem Herzen, nicht nur mit den
Augen«, klärte Nuella ihn auf. Sie legte eine Pause ein, weil sie auf seine Antwort wartete. Doch als keine kam, fragte sie: »Würde der Wher nicht schneller satt, wenn du ihm klein geschnittenes Fleisch zu fressen gäbst?«
»Meisterin Aleesa hat mir davon abgeraten ...«
»Von ihr hast du das Wherei bekommen, nicht
wahr?«, vergewisserte sich Nuella.
»Ja, das ist richtig.«
»Womit hatte dein Vater euren alten Wachwher gefüttert?«, wollte sie wissen.
Kindan überlegte. »Nun ja, meistens gab er ihm
Fleischbrocken. Aber dieser Wher ist noch jung und würde daran ersticken. Deshalb bekommt er den Brei.«
Nuella legte den Kopf schief und näherte sich dem
Wher, der den Brei hinunterschlang. Vorsichtig streckte sie die Hand aus und streichelte sanft den Hals des Tieres. »Hmm«, summte Nuella vor sich hin. Sie schnalzte ein paarmal mit der Zunge, um den Wher vom Fressen abzulenken. Als das Geschöpf tatsächlich den Kopf hob und Nuella neugierig anstarrte, steckte sie rasch einen Finger in die Schüssel. Sie hielt ihn unter die Nase, schnupperte an dem blutigen Brei und leckte ihn dann zu Kindans nicht geringem Erstaunen ab. Angewidert verzog sie das Gesicht und meinte: »Ich an deiner Stelle würde es doch mit klein gehacktem Fleisch versuchen, Kindan. Der Brei schmeckt grauenhaft.«
»Vielleicht sollte ich es einfach mal ausprobieren«, räumte Kindan ein.
»Und wie soll der Wher heißen?«, fragte Nuella.
»Ich hatte gehofft, er würde sich selbst einen Namen geben«, gestand Kindan ein.
Nuella fuhr fort, den Wachwher zu streicheln. Kindan verspürte eine gelinde Anwandlung von Eifersucht und Scham,
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