Drachenwege
Feuerechse«, warf Zenor ein. Ein Mitglied von Tarris Handelskarawane besaß eine Feuerechse, und als die Händler das letzte Mal in Camp Natalon Station machten, hatte sich Zenor ausgiebig mit dem Tier befasst.
»Auf jeden Fall spürt Kisk, ob ich traurig oder glücklich bin«, sagte Kindan. Seine Stimme überschlug sich und endete mit einem Kiekser, was ihm ein Grinsen von Zenor einbrachte. Wütend funkelte Kindan seinen Freund an. Er befand sich im Stimmbruch, und wenn er nicht in einem unsicheren Bass grummelte, dann schraubten sich die Töne unkontrolliert in die Höhe.
Doch dann fiel Kindan ein, wie er früher die älteren Jungen gnadenlos gehänselt hatte, wenn deren Stimme brach.
»Es wäre gut, wenn sie verstünde, wann du müde bist und deinen Schlaf brauchst«, meinte Nuella.
»Das ist nicht das vordringlichste Problem«, winkte Meister Zist ab. »Kindan ist zwölf Planetenumläufe alt, und wenn er erst erwachsen ist, macht ihm der Schlafmangel nichts mehr aus. Er wird sich Kisks Tag-und Nachtrhythmus anpassen.«
Zenor, der in den letzten Monaten ordentlich in die Höhe geschossen war, nickte weise. »Wenn man so schnell wächst wie ich, verursacht das mitunter sogar Schmerzen. Aber dann braucht man tatsächlich nicht mehr so viel Schlaf.«
Zenor hatte Nuella aufgezogen, als er anfing, sie zu überragen, doch auf diese Sticheleien war sie nicht eingegangen. Als Kisk jedoch so groß wurde, dass ihre Köpfe sich auf gleicher Höhe befanden, hatte sich bei dem Mädchen Besorgnis geregt.
»Ich nenne das ausgleichende Gerechtigkeit«, hatte Zenor mit seiner neuen tiefen Stimme gescherzt. »Eine lange Zeit warst du größer als ich, Nuella, und jetzt habe ich dich nicht nur eingeholt, sondern dich sogar noch übertroffen.«
Kindan, der immer noch kleiner war als das Mädchen, verhielt sich ganz still. Wenn er nicht bald einen kräftigen Schub bekam, würde er mit Kisk auf derselben Schulterhöhe sein.
Der Wachwher maß bis zur Schulter zwölf Handspannen, und beinahe vierzig Handspannen von der Schnauze bis zur Schwanzspitze. Er war schon fast so groß wie eines dieser massigen Zugtiere, die man vor die Wagen der Karawane spannte.
»Sie hat ordentlich Fleisch angesetzt«, fand Meister Zist und tätschelte Kisks Hals. Die gut entwickelten Muskeln spannten sich unter der Haut und zeugten von beträchtlicher Kraft. »Ich glaube, in ungefähr zwei Monaten wird sie ausgewachsen sein.«
»Wächst ein Wher eigentlich schneller als ein Drache?«, erkundigte sich Kindan.
»Hmm, es gibt nur eine Möglichkeit, um das herauszufinden«, erwiderte Meister Zist. Er stand auf. »Kindan, wir passen auf Kisk auf, und du läufst schnell zum Ausguck. Benachrichtige M'tal, denn er wird sich sicher gern davon überzeugen wollen, was aus deinem Wachwher geworden ist.«
»Du willst einen Drachenreiter einladen?«, staunte Nuella.
»M'tal und ich sind alte Freunde«, erklärte der Harfner.
»Aber Telgar hat doch ausdrücklich erklärt, dass sie auf unsere Rufe nicht mehr antworten wollen.«
»Weyrführer M'tal«, hob Kindan an und legte dann
eine Kunstpause ein, um den dramatischen Effekt zu erhöhen, »ist für Benden zuständig, nicht für Telgar.«
»Benden!«, hauchten Zenor und Nuella im Chor.
Beide zeigten sich gebührend beeindruckt. Kein Wunder, denn sie waren im Camp Natalon groß geworden und kaum jemals über die nähere Umgebung hinaus—gekommen. Burg Crom lag für sie in fast unerreichbarer Ferne, der Telgar Weyr war so unwirklich wie ein Traum. Einen Ort wie den Benden Weyr vermochten sie sich nicht einmal in ihren kühnsten Phantasien vorzustellen.
»Nuella, Zenor, ihr dürft den Mund wieder zuklap—
pen«, warf der Harfner trocken ein. »Und du, Kindan, läufst jetzt los und trommelst die Botschaft. Du weißt doch hoffentlich noch, wie sie lautet?«
»Zist ruft M'tal«, gab Kindan fröhlich zurück und
nahm die Beine in die Hand.
*
Kindan wusste, dass es eine Weile dauern würde, bis M'tal die Botschaft erhielt, und dann war es fraglich, wann er die Zeit hätte, darauf zu reagieren.
Und wieder hatte sich der Winter über das Camp gelegt. Toldur und seine Spätschicht waren damit fertig, den neuen Schacht abzuteufen. Dieses Ereignis wurde in Natalons Haus gefeiert. Da dieses Mal keine Händler dabei waren, konnte Nuella nicht teilnehmen. Anfangs sah es ganz danach aus, als müsste Meister Zist allein für die abendlich Unterhaltung sorgen, doch Nuella hatte sich bereit erklärt, sich um Kisk zu
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