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Drachenwege

Drachenwege

Titel: Drachenwege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey , Todd McCaffrey
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dass er den Mund wieder schließen konnte.
    »Wie ich sehe, habt ihr bereits von mir gehört«, bestätigte Meister Zist zufrieden. »Es freut mich, dass Harfner Jofri sich an mich erinnert.«
    »Aber es bleibt abzuwarten, was er euch beigebracht hat«, fuhr er mit erhobenem Zeigefinger fort. »Heute ist mein erster Tag in dieser Gemeinde - und obendrein wird an diesem Abend die erste Hochzeit in Camp Natalon gefeiert. Auf gar keinen Fall werde ich zulassen, dass dieses bedeutsame Ereignis durch mittelmäßige musikalische Darbietungen geschmälert wird.«
    Meister Zist winkte den beiden Jungen zu, sie sollten näher an ihn herantreten. »Ich hoffe, ihr seid zum Vorsingen bereit. Wenn ja, dann möchte ich Tonleitern hören, in C-Dur, harmonisch.«
    Kindan und Zenor tauschten Blicke aus. Harfner Jofri hatte sie Tonleitern singen lassen, seit sie laufen gelernt hatten. Mit glänzenden Augen wandten sie sich dem Meister zu, öffneten den Mund und wollten loslegen -
    »Nein, nein, nein!«, wetterte Meister Zist. Die Jungen hielten den Atem an und prallten erschrocken zurück.
    »Nicht so! Stellt euch gerade hin, die Schultern zurück.
    Dann holt tief Luft und ...«
    Gehorsam befolgten die Jungen seine Anweisungen und begannen die Tonleitern zu singen.
    »Wer hat euch gesagt, dass ihr singen sollt?«, schnauzte Meister Zist sie an. Nachdem die Buben verstummt waren, fuhr er fort: »Ich kann mich nicht entsinnen, dass ich euch befohlen habe, mit dem Singen anzufangen.« Er seufzte. »Zuerst müsst ihr lernen, wie man richtig atmet. Soviel steht schon mal fest.«
    Zenor und Kindan schielten sich verstohlen an. Sie hatten geglaubt, sie wüssten bereits, wie man atmet.
    Um die Mittagszeit war Kindan erschöpft. Er hatte ja keine Ahnung gehabt, wie anstrengend Singen sein konnte. Doch anstatt die beiden Jungen zu entlassen, schickte Meister Zist Zenor los, um ihnen ihr Mittagessen zu holen und Jenella Bescheid zu sagen, dass die beiden Knaben bei der Hochzeit singen würden. Zenors Augen strahlten, als er dies hörte, doch Kindan war zu müde, um sich über das Lob zu freuen, und so ganz traute er dem neuen Harfner immer noch nicht.
    »Du«, dröhnte Meister Zists sonore Stimme, nachdem Zenor sich auf den Weg gemacht hatte, »wirst den Hochzeitschoral einüben, den Harfner Jofri deinem Bruder zugedacht hatte.«
    Kindan schluckte trocken. Kaylek würde ihn aus lauter Neid umbringen, und dieses Lied war sehr schwer zu erlernen.
    Als Zenor endlich mit dem Mittagessen zurückkam -
    er schien eine Ewigkeit fort gewesen zu sein -, schwitzte Kindan vor Anstrengung und Meister Zist war einem Wutanfall nahe.
    »Lass das Essen hier«, beschied Meister Zist Zenor,
    »und geh wieder.«
    Doch noch gab es keine Mittagspause. Meister Zist bestand darauf, dass Kindan weiter übte. Aber obwohl er sich wirklich Mühe gab, schaffte er es nicht, das Lied zu singen.
    Schließlich rang Meister Zist verzweifelt die Hände.
    Mit hochrotem Gesicht brüllte er: »Du hörst mir nicht zu! Du bist unaufmerksam! Du kannst die Melodie beherrschen, du willst nur nicht. Was für eine Verschwendung an Talent. Man darf gar nicht daran denken, dass deine Mutter bei deiner Geburt gestorben ist. Du taugst zu nichts!«
    Kindan ballte die Fäuste, und seine Augen blitzten vor Zorn. Er machte auf dem Absatz kehrt und rannte aus der Kate. Doch nach nur wenigen Metern wurde er von seiner Schwester aufgehalten.
    »Kindan, wie läuft es?«, fragte sie, zu aufgeregt, um seine wütende Miene zu bemerken. »Bist du nicht auch glücklich, weil Meister Zist hier ist? Wusstest du, dass er unserer Mutter das Lied beigebracht hat, das dann zu ihrer Lieblingsweise wurde?«
    Kindan blickte in ihr fröhliches Gesicht, und dann kam ihm eine Idee.
    »Entschuldige bitte, Sis. Ich muss noch üben«, sagte er und schickte sich an, in die Hütte zurückzukehren.
    Über die Schulter rief er seiner Schwester zu: »Alles klappt wunderbar.«
    Er stürmte wieder in die Kate, wo Meister Zist ihn erwartete. Dann nahm er die korrekte Haltung eines Sängers ein, holte tief Luft und fing an zu singen:

    »Am Morgenhimmel, stolz und leise,
    zieht ein Drache seine Kreise.
    Die Haut glänzt wie Bronze, die Augen sind grün; einen schöneren Drachen hab ich niemals gesehn.«

    Durch das Schweigen des Harfners ermutigt, sang Kindan sämtliche Strophen des Liedes. Zum Schluss sah er den Meister trotzig an und erklärte: »Ich kann singen, Meister Zist. Meine Schwester meint, ich sei genauso begabt wie

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